Da ist z. B. eine Wiese. Harmlos und ohne besondere dünste
strecken die Gräser ihre tausend schmalen Blättchen in die Höhe. In
ihrer großen Zahl liegt eine gewisse Stärke; denn ihre Büschel stehen
so dicht, daß es anderen Gewächsen schwer gemacht wird, zwischen ihnen
aufzukommen und ihnen das Licht wegzunehmen. Doch bietet das ihnen
keinen sicheren Schutz; manche Nebenbuhler bringen es zustande, die
Gräser zu unterdrücken.
Das tut z. B. die Primel. Wer hat sich nicht schon an der
hübschen Blattrosette erfreut, aus deren Mitte der schlanke Schaft mit
den gelben Blüten emporsproßt? Willst du wissen, was die Rosette
eigentlich bedeutet, so tritt im Frühling heran und sieh zu, welche
Wirkung sie auf ihre Umgebung ausübt. Langsam schieben sich die Blatt-
spitzen von der Mitte nach außen und drücken sich fest nach unten; die
ersten legen sich, sobald sie aus der Erde gekommen sind, dem Boden
unmittelbar an, die folgenden, etwas längeren, greifen über die erste
Reihe hinüber und drücken nieder, was in ihren Bereich kommt. Die
ganze Rosette schmiegt sich glatt wie ein Kuchen der Erde an, und
so weit sie sich erstreckt, kann nichts anderes aufkommen; Gräser, Moose
und andere kleine Gewächse, die den Platz gern mit ihr teilen möchten,
müssen ersticken. So schafft die Primel sich da, wo sie steht, einen Raum,
auf dem nichts Fremdes wachsen kann, ihre zierliche Rosette ist ein
Werkzeug zur Vergewaltigung der Kleinen, und mit diesem erreicht
sie, daß die nächsten Nachbarn ihr nicht über den Kopf wachsen können;
über ihr bleibt ein freier Raum, sie sichert sich ihren Anteil am Licht,
ohne sich von der Erde zu erheben.
Ähnliches gilt für zahlreiche andere Kräuter, die wie die Primeln
ihre Blätter in grundständigen Rosetten ausbreiten; sie sind sämtlich
kleine Tyrannen, die ihre Rechte durch Unterdrückung der nächsten Nach¬
barn wahren. ! !
Andere machen es anders. Eine Grundform entgegengesetzten Ver¬
haltens ist der Spargel. Schmal und dünn. aber kräftig schießt er in
Gestalt einer fast nackten Wurzelsprosse in die Höhe; er drängt sich
durch; harte Hindernisse, wie dicke Steine, weiß er zu umgehen, indem
er sich krümmt, weiche nimmt er mit Sturm — durch ein Kohlblatt
wächst er bekanntlich quer hindurch. So drückt er sich als dünner Streber
in die Höhe, bis er über die gewöhnlichen Kräuter hinaus gelangt ist;
dann auf einmal streckt er seine Arme aus, die Zweige breiten sich,