Full text: [Teil 3 = Kl. 6] (Teil 3 = Kl. 6)

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oft von ganzen Rudeln von Wölfen angefallen, die den Herden¬ 
besitzer in einer einzigen Nacht zum armen Manne machen können. 
Wenn der Sommer naht, so hält es das Renntier nicht mehr 
in der Ebene aus, sondern sucht im Gebirge die frische, stärkende 
Alpenluft auf. Doch weniger vor der Hitze flieht es als vor den 
grimmigen, blutgierigen Feinden aus der Insektenwelt. Fortwährend 
umschwirren die Renntierbremsen, die man auch Dasselfliegen 
nennt, das gequälte Tier. Wohl sucht es pfeilschnell seinen 
Peinigern zu entgehen; doch die Dassel setzt sich ihm auf den 
Rücken oder in die Nasenlöcher und legt in das weiche Fleisch 
des Tieres ihre Eier. Die aus dem Ei auskriechenden großen 
Maden bereiten dem Tier entsetzliche Qualen. Der Mensch ist 
gezwungen, seinen Tieren, die zum Schutze gegen die Dasselfliege 
den ewigen Schnee der Gebirge aufsuchen, zu folgen und so ein 
stetes Wanderleben zu führen. Von der Weide werden die Renn¬ 
tierkühe mit einer Wurfleine eingefangen und, da sie sich nicht 
gutwillig melken lassen, während des Melkens festgehalten. 
Die wilden Renntiere machen alljährlich meist viel größere Wan¬ 
derungen als die gezähmten. Dabei scharen sie sich zu großen Herden 
von zwei- bis dreihundert Stück zusammen. Auf der Wanderung treffen 
bald mehrere Herden zusammen, so daß der ungeheure Zug wan¬ 
dernder Renntiere oft eine Breite von mehreren Meilen einnimmt. 
121. 6Ufantenfang in Indien. von Otto ebUrs. 
An indischen Fürstenhöfen. II. Band. 5. Ausl. Berlin 1898. 8. 22. 
Cs war fast noch finster, als der Direktor der indischen Behörde für 
Elefantenfang in aller Frühe in mein Häuschen trat und mich mit 
der Nachricht erfreute, daß eine zwölf Haupt starke Herde wilder Elefanten 
gefunden fei. Es war bereits Befehl erteilt, daß die Treiber zur Ein¬ 
schließung der Herde abmarschieren sollten. 
Kurz darauf folgten wir mit vierzig zahmen Elefanten, die mit 
Zelten, Lebensmitteln, Ketten, Tauen und Stricken schwer beladen waren. 
Zehn Zentner sind in der Ebene für einen Elefanten eine Last, mit der 
er bequem bei gutem Futter täglich 24—32 Kilometer zu marschieren 
vermag, wenn er nach drei Arbeitstagen einen Rasttag erhält. 
Am folgenden Nachmittag langten wir bei der eingeschlossenen Herde 
an. Sie war in einem Umkreise von fast zehn Kilometern umstellt. 
Alle 30—50 Schritt waren kleine Bambus- oder Laubhütten errichtet, 
in denen je zwei Leute Wache hielten. Der Elefant ist scheu und furcht-
	        
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