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dieselbe betritt, hat man seine Fahrkarte vorzuzeigen, die durchlocht wird. 
Die Karten sind giltig bis zum Schluß des Kalenderjahres, können in 
beliebigen Mengen bezogen werden und kosten 10 Pfennig für eine Fahrt 
von 1 bis 3 Haltestellen. Auch die Einrichtung dieser Halle ist außerordent¬ 
lich übersichtlich und einfach. Meterlange Buchstaben geben kund, daß 
man auf dem Bahnhof Friedrichstraße sich befindet. Sehr breite Perrons 
genügen auch dem stärksten Verkehr; in der Mitte derselben ist je eine 
elektrische Uhr auf hohem Ständer angebracht, daneben eine Bude für 
Post und Telegraphen und ein Wegweiser mit beweglichen Armen, der die 
Richtung der einfahrenden Züge und ihr Geleise angiebt. Trotz der späten 
Stunde wartet eine große Menschenmenge auf die Züge; die bequemen 
Sitzbänke des Perrons sind alle belegt. Auch ans dem jenseitigen Bahn¬ 
steig für die Vorort- und Fernzüge ist ein lebhafter Verkehr. Große von 
der Decke niederhängende Bogenlampen erhellen den Schauplatz. Da 
plötzlich ein leichtes Rollen, ein Klingeln in der Telegraphenbude; wie aus 
dem Boden gewachsen steht ein Stadtzug da. Man hat kein Signal, keine 
Glockenzeichen, keinen Psifs vernommen, nur ein Schaffner begleitet den 
Zug. Das Aus- und Einsteigen geht dank der vielen Wagenthüren schnell 
und ohne Gedränge von statten. Wenige Sekunden, und der Zug ist zur 
Halle hinansgedampft. Man hat seine Bewunderung über die Schnellig¬ 
keit, Ordnung und Stille, mit der sich Ein- und Abfahrt der Züge voll¬ 
zieht. Das Publikum bedient sich selber, jeder öffnet die ihm zunächst 
befindliche Wagenthür und schließt von innen. 
Die Stadtbahn ist von Baurat Orth entworfen und von Baurat 
Dircksen ausgeführt; sie vermittelt nicht nur den Lokalverkehr innerhalb 
Berlins auf 2 Geleisen, sondern auch die Verbindung mit beit meisten 
auswärtigen Linien, den sogenannten Fernverkehr, sowie den mit der 
Ringbahn und den Vororten ans 2 weiteren Geleisen. Die Bahn hat 
innerhalb der Stadt 13 Stationen; es verkehren auf ihr alle 10 bzw. 
5 Minuten Züge von morgens 4 bis über 12 Uhr nachts. Ans hohen, 
breiten Viadukten durchzieht die Bahn in einem nach Norden gekrümmten 
Bogen die Stadt von Osten nach Westen; ihre Pfeiler sind eine Strecke 
lang sogar in der Spree selbst aufgebaut. Ich verstehe, daß der Berliner¬ 
in gerechtem Stolz seine Stadtbahn für ein Weltwunder, ja für das 
größte, einzig in seiner Art dastehende Bauwerk der Jetztzeit erklärt. 
Überhaupt giebt es meines Wissens keine Großstadt, welche dem Publikum 
so bequeme, vielseitige und billige Fahrgelegenheiten darbietet. In allen 
erdenklichen Richtungen durchkreuzen zahlreiche Pferdebahnlinien die un¬ 
endlichen Straßenzeilen, das Netz wird durch viele Omnibuslinien, welche
	        
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