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diese wurden mit den geretteten Brettern und Segeln bedeckt, und darunter
lagerten sich die Vielgeprüften, nur auf das geringste Maß von Nahrung
beschränkt. Der Koch, welcher während der ganzen Eisfahrt viel Mut
bewies, wagte es sogar, in das zerstörte Haus vorzudringen und dort an
dem noch stehen gebliebenen Herde, neben dem die offene See wütete,
etwas Kaffee zu kochen, welcher die gesunkenen Lebensgeister wieder auf¬
frischte.
Die ganze Scholle hatte nur noch zweihundert Schritte Umfang.
Auf diesem beschränkten Raume errichtete man ans den Ruinen des alten
ein neues Haus, da das Liegen in den Böten allmählich unerträglich
wurde. In dieser Hütte konnten aber nur sechs Personen eng aneinander-
gepreßt schlafen, die übrigen acht mußten immer noch mit den Böten
vorlieb nehmen. Die Kleinheit der Scholle war zwischen den schwimmen¬
den Eisbergen übrigens ein entschiedener Vorteil, da sie leichter sich durch
die offenen Kanüle hindurchwand und mit nicht so großer Gewalt an ihre
Nachbarn anrannte, also auch weniger Gefahr lief, zertrümmert zu werden.
Sie glitt zwischen den Kolossen hindurch, als werde sie von unsichtbarer
Hand gesteuert.
Seit dem Zerbrechen der großen Scholle und der Zertrümmerung
des ersten Kohlenhauses am 14. Januar waren 112 Tage verflossen und
seit dem Untergange der Hansa 200 Tage. Man hatte den fortwährenden
Tag, die fortwährende Nacht gesehen. Jetzt war der Frühling heran¬
gekommen, der auch an Grönlands Küste durch das Wiedererwachen der
Natur, durch das frische Sprossen der Kräuter, durch das Heranziehen
der Vögelscharen sich ankündigt. Jetzt sollte auch eine Änderung in der
Lage der Schiffbrüchigen herbeigeführt werden, welche der Beginn der
Rettung war. Am 7. Mai 1870 war man bis zum 61. Grade südwärts
getrieben, im ganzen 243 Meilen, eine Entfernung, die in gerader Linie
etwa so groß ist, wie von Konstantinopel nach Berlin. Man wußte nun,
oaß die Südspitze Grönlands, wo civilisierte Menschen wohnen, nicht
mehr fern war. Dort liegt die kleine, von deutschen Missionaren geleitete
Kolonie Friedrichsthal, und da nach der Küste zu offenes Wasser vor¬
handen war, so beschloß man, die Böte in dasselbe zu bringen. Es war
auch die höchste Zeck, daß man schneller vorwärts kam; denn die Lebens¬
mittel wurden schon knapp, und die Kleider waren zerfetzt. Noch über
einen Monat lang sollte aber doch die Fahrt an der Südostküste Grön¬
lands bis zum Rettungshafen dauern. Die drei Böte, die stets segelfertig
waren, lagen mit ihrem Zubehör nach Verlauf von vier Stunden in
schiffbarem Wasser; die Mannschaft verteilte sich in die Böte. Ein drei-
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