Contents: Die Geschichte des Alterthums (Bd. 1)

64. Die Gesetzgebung des Lykurgus. 
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thümlich war. Die Knaben und Jünglinge lernten aber nicht allein 
die Tonwerkzeuge, Flöte und Kithara, zu gebrauchen, sondern sie wur¬ 
den auch zum Singen von Liedern angehalten, deren Inhalt dem Geiste 
des Staates entsprechend war. 
Von der Verstandesbildung meinten die Spartaner, daß sie durch 
das Leben selbst und die im täglichen Verkehr sich darbieteuden Gele¬ 
genheiten zur Einwirkung auf die Knaben in hinreichendem Maße ge¬ 
wonnen werden könne, ohne daß es dazu eigentlichen Unterrichts bedürfte. 
Deßwegen gab cs keine Schulen; aber cs wurden die Knaben häufig 
zu den gemeinschaftlichen Mahlzeiten der Männer mitgenommen, damit 
sie deren Unterhaltungen anhörten, in denen Gegenstände der mannich- 
faltigsten Art zur Sprache kamen, bald öffentliche Angelegenheiten, löb¬ 
liche oder tadelnswürdige Thaten im Kriege oder im Frieden, bald hei¬ 
terer Scherz und witzige Neckereien der Tischgenossen, wozu die Spar¬ 
taner sehr aufgelegt waren. In diese Unterhaltungen wurden denn auch 
die Jungen selbst hineingezogen, sie mußten ihre Meinung sagen und 
wurden dafür gelobt oder zurechtgewiesen, sie mußten aus verfängliche 
Fragen oder Ncckrcden rasch und treffend mit Witz und Geistesgegen¬ 
wart zu antworten und dabei sich allen unnützen Geredes zu enthalten, 
möglichst viel in möglichst wenig Worten zu sagen lernen. 
Die Erziehung der Jünglinge dehnte sich bis zum 30. Jahre aus, 
indem sie bis dahin in ihren bestimmten Abtheilungen zu vorschrifts¬ 
mäßigen Uebuugen angehalten wurden. Die Verpflichtung zum Dienst 
in der Linie begann aber mit dem vollendeten 20. Jahre. Vom 30. 
Jahre an zählten sie zu den Männern, und konnten nun erst einen 
eigenen Hausstand begründen, obgleich es gar nicht unmöglich war, daß 
sie auch schon vor diesem Alter heiratheten. Aber dies entband nicht 
von der Pflicht, sich in der Abtheiluug von Altersgenossen, der sie an- 
gehörten, regelmäßig zum Speisen und zu den vorschriftsmäßigen Uebun- 
gcn einzufinden. 
In Sparta war der Staat das erste, das Haus das zweite, und 
hatte nur in sofern Werth und Bedeutung, als es auch dem Staate 
diente. Dieser Sinn lag auch dem Institute der Syssitien oder der 
gemeinschaftlichen Männermahle zu Grunde, wodurch das häusliche Le¬ 
ben mit Frau und Kindern allerdings beeinträchtigt, dafür aber die 
Bürger gewöhnt wurden, wie Plutarch sich ausdrückt, gleich den Bienen 
mit einander verbunden, sich nur als Glieder und Theile der Gesammt- 
hcit zu fühlen, und nicht für sich, sondern nur für das Ganze leben zu 
wollen. Die Theilnahme an diesen Syssitien war unerläßliche Pflicht 
eines jeden Spartaners, sobald er das 20. Jahr zurückgelegt hatte. 
Auch die Könige durften sich von den Syssitien. nicht ausschließeu. Ihr 
Vorzug vor jedem andern Bürger bestand nur darin, daß sie doppelte 
Portion bekamen, um davon denjenigen mittheilen zu können, welchen 
sie eine Ehre erweisen wollten. Die Kosten des königlichen Tisches ge¬ 
währte der Staat; alle Uebrigcn aber mußten zu den Syssitien einen
	        
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