Ernst von Wildenbruch.
Die Nachtigall.
Du süße Nachtsängerin, Nachtigall,
du Trost der schlaflosen Kranken,
wie weckst du mit deinem holdseligen Schall
mir sehnend Herz und Gedanken.
Verborgen singst du dein wonniges Lied,
umdämmert von nächtlicher Hülle,
wie ein Sänger, der still sich den Menschen entzieht,
beseligt durch eigene Fülle.
Vielleicht, wenn einer vorübergeht,
wenn er höret die Töne rauschen,
daß er träumend verloren im Dunkel steht,
dich zu suchen, zu horchen, zu lauschen.
Vielleicht, wenn er kehret zur Kammer zurück,
daß er spricht: wie ist mir geschehen?
Meines Herzens Dunkel, mein Leid und mein Glück —
dieser Fremdling ließ mich's verstehen.
Weihnacht.
Die Welt wird kalt, die Welt wird ihr Mantel fegt die Erde leer,
stumm, die Erde wird ein schweigend Grab,
der Winter-Tod geht schweigend um; ein Ton geht zitternd auf und ab.
er zieht das Leilach weiß und dicht Sterben — sterben.
der Erde übers Angesicht
Schlafe — schlafe. Da horch — 3 totenstillen Wald
Du breitgewölbte Erdenbrust, was für ein süßer Ton erschallt?
du enn aller eeen Da sieh — in tiefer dunkler Vuch
hast Duft genug im Leng gesprüht, Was für ein süßes Licht erwacht?
n Sommer heiß genug gegluht, Als wie von Kinderlippen klingt's
nun komme ich, nun bist du mein, von Ast zu Ast wie Flammen
gefesselt nun im engen Schrein pringts
Schlafe — sclafe vom Himmel kommt's wie Engel—
sang,
Die Winternacht hängt schwarz und ein Flöten- und Schalmeienklang:
schwer, Weihnacht! Weihnacht!
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