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auf einem glatten Blatte; das schwankt und wankt; — der Frosch aber
fällt nicht herab, sondern verspeist seine Mücke mit großem Behagen.
Wie geht es aber zu, daß der Laubfrosch nicht vom Baume
herabfällt? Er hat vorn zwei kleine Beine und hinten zwei große.
An den Vorderbeinen hat er je vier Zehen, an jedem Hinterbeine
fünf; das sind zusammen achtzehn. An jeder Zehe ist eine kleine
Saugscheibe. Drückt der Frosch diese gegen eine glatte Fläche,
so heftet er sich damit an. Er macht die Haftscheibe inwendig
ein wenig hohl; sie ähnelt dann etwa einem Fingerhut, den du auf
die Hand setzest und die Luft heraussaugst.
Von klein auf übt sich der Laubfrosch, schnell von einem Blatt
auf das andere zu springen und sich jedesmal sofort an dem neuen
Blatte festzuhalten. Drunten im Teiche wohnt er zuerst, dann springt
er aufs Land. Er hüpft auf den Busch, von einem unteren Blatte
hinauf nach einem höheren. Beim Sonnenschein sitzt er oben auf
dem Blatte, beim Regen versteckt er sich auf der Unterseite und
fällt nicht herab. Vom Busch springt er auf den kleinen Baum,
vom kleinen Baum auf den großen. In diesem hüpft der flinke Bursch
immer von Blatt zu Blatt, bis in den Wipfel. Stillsitzen und springen;
jedes zur rechten Zeit, das sind die beiden Künste, die der Frosch
zu lernen hat! Springen und festhalten — aber nicht fallen!
88. Der Zaunkönig und der Bär. Von den Brüdern Grimm.
Kinder- u. Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Ausl., besorgt von Reinhold Steig.
Stuttgart und Berlin 1906. 8. 339.
1.
ut* Sommerzeit gingen einmal der Bär und der Wolf
im Wald spazieren; da hörte der Bär so schönen Ge¬
sang von einem Vogel und sprach: „Bruder Wolf,
was ist das für ein Vogel, der da so sä)ön singt?"
„Das ist der König der Vögel," sagte der Wolf,
„vor dem müssen wir uns neigen;" es war aber der
Zaunkönig. „Wenn das ist," sagte der Bär, „so möcht' ich auch gerne
seinen königlichen Palast sehen; komm und führe mich hin!" „Das geht
nicht so, wie du meinst," sprach der Wolf, „du mußt warten, bis die
Frau Königin kommt." Bald daraus kam die Frau Königin und hatte
Futter im Schuabel und der Herr König auch und wollten ihre Jungen
ätzen. Der Bär wäre gern nun gleich hinterdrein gegangen, aber der
Wolf hielt ihn am Ärmel und sagte: „Nein, du mußt warten, bis Herr