Full text: Deutsches Dichterbuch ([Teil 2]. Bd. 4, Hälfte 2, [Schülerbd.])

Theodor Storm. 
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Lier ruhn sie waffenlos in ihrer Gruft, 
die man hinaustrug aus dem Pulverdampfe; 
vom Strand herüber weht der Meeresdust, 
die Schläfer kühlend nach dem heißen Kampfe. 
Es steigt die Flut; vom Ring des Deiches her 
im Abendschein entbrennt der Wasserspiegel; 
ihr schlafet schön! Das heimatliche Meer 
wirft seinen Glanz auf euren dunklen Lüget. 
And rissen sie die Farben auch herab, 
Mr die so jung ihr ginget zu den Bleichen, 
o, schlafet ruhig! Denn von Grab zu Grab 
wehn um euch her der Feinde Wappenzeichen. 
Nicht euch zum Ruhme sind sie aufgesteckt; 
doch künden sie, daß eure Kugeln trafen, 
daß, als ihr euch zur ew'gen Ruh' gestreckt, 
den Feind ihr zwanget, neben euch zu schlafen. 
Ihr aber, denen ohne Trommelschlag 
durch Feindeshand bereitet ward der Rasen, 
hört dieses Lied! und harret auf den Tag, 
daß unsre Reiter hier Reveille blasen! — 
Doch sollte dieser heiße Lebensstreit 
verloren gehn wie euer Blut im Sande 
und nur im Reiche der Vergessenheit 
der Name leben dieser schönen Lande: 
In diesem Grabe, wenn das Schwert zerbricht, 
liegt deutsche Ehre fleckenlos gebettet! 
Beschützen konntet ihr die Leimat nicht, 
doch habt ihr sterbend sie vor Schmach gerettet. 
Nun ruht ihr, wie im Mutterschoß das Kind, 
und schlafet aus auf heimatlichem Kissen; 
wir andern aber, die wir übrig sind, 
wo werden wir im Elend sterben müssen! 
Schon hatten wir zu festlichem Empfang 
mit Kränzen in der Land das Laus verlassen; 
wir standen harrend ganze Nächte lang, 
doch nur die Toten zogen durch die Gassen. — 
So nehmet denn, ihr Schläfer dieser Gruft, 
die spätsten Blumen, die das Jahr geboten! 
Schon fällt das Laub im letzten Sonnendust — 
auch dieses Sommers Kranz gehört den Toten.
	        
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