Full text: Deutsches Dichterbuch ([Teil 2]. Bd. 4, Hälfte 2, [Schülerbd.])

Martin Luther. 
1483- 1546. 
euther wurde 1483 am 10. November zu Eisleben geboren. Auf der Universität 
Erfurt studierte er Philosophie und Iura, trat dann ins Kloster, wo er sich 
der Theologie zuwandte. Friedrich der Weise berief ihn an die neugegründete 
Universität zu Wittenberg. Am 31. Oktober 1517 schlug er die Thesen an die Tür 
der Schloßkirche. Don jetzt an wandte er sich in deutscher Sprache an das Volk, nur 
für die Gelehrten schrieb er noch ab und zu lateinisch. Auf der Wartburg begann er, 
die Bibel aus dem Urtext ins Deutsche zu übersetzen, zunächst das Neue Testament. 
In Wittenberg übersetzte er mit Hilfe seiner gelehrten Freunde auch das Alte. 
1534 erschien die erste vollständige deutsche Bibel. 1523 begann er, geistliche Lieder 
zu dichten,- ein Jahr darauf erschien das erste deutsche Gesangbuch (acht Nummern). 
Das dritte wichtige Buch, das Luther seinem Volke geschenkt hat, ist der Katechismus. 
Außerdem hat er noch viele andere Schriften veröffentlicht: Predigten, Streitschriften, 
Bücher zur Lehre und Mahnung. Für seine deutschen Schriften legte er den Sprach¬ 
gebrauch der thüringischen Landessprache und die Sprachformen der kurfürstlichen 
Kanzleien zugrunde. Don Luthers Zeit an begann das Neuhochdeutsche seinen Siegeslauf. 
1. Ein hübscher evangelischer Gesang 
1523. 
Nun freut euch, lieben Christen g'mein 
und laßt uns fröhlich springen, 
daß wir getrost und all in ein 
mit Lust und Liebe singen: 
was Gott an uns gewendet hat 
und,seine süße Wundertat: 
gar teu'r hat er's erworben. 
Dem Teufel ich gefangen lag, 
im Tod war ich verloren, 
nrein' Sünd' mich quälet Nacht und Tag, 
darin ich war geboren; 
ich fiel auch immer tiefer drein, 
es war kein Gut's am Leben mein, 
die Sünd' hatt' mich besessen. 
Mein' gute Werk' die galten nicht, 
es war mit ihn'n verdorben; 
der frei' Will' hasset Gott's Gericht; 
er war zum Gut'n erstorben. 
Die Angst mich zu verzweifeln trieb, 
daß nichts denn Sterben bei mir blieb, 
zur Höllen mußt' ich sinken. 
Deutsches Dichterbuch 
Da jammert' Gott in Ewigkeit 
mein Elend Übermaßen; 
er dacht' an sein' Barmherzigkeit, 
er wollt' mir helfen lassen. 
Er wandt' zu mir das Vaterherz, 
es war bei ihm fürwahr kein Scherz, 
er ließ sein Bestes kosten. 
Er sprach zu seinem lieben Sohn: 
„Die Zeit ist hie zu 'rbarmen; 
fahr hin, mein's Herzens werte Krön' 
und sei das Heil dem Armen 
und hilf ihm aus der Sündennot, 
erwürg' für ihn den bittern Tod 
und laß ihn mit dir leben!" 
Der Sohn dem Vater gehorsam ward, 
er kam zu mir auf Erden 
von einer Jungfrau rein und zart, 
er sollt' mein Bruder werden. 
Gar heimlich führt' er sein' Gewalt, 
er ging in meiner armen Gestalt, 
den Teufel wollt' er fangen. 
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