sehens groß. Die arme Frau schluchzte vor Rührung, als sie auf
wenige Augenblicke ihren lieben Mann wiederhatte. Dann bat sie
dringend, diesen noch bis Corny begleiten zu dürfen, und auch
das ward ihr gestattet. Nun ergab sich aber eine Schwierigkeit
wegen der Kinder. Der kleine fünfjährige Bube konnte freilich
schon an seines Vaters Seite dahintraben, aber es war noch ein
Säugling da, der ohne Pflege und Wartung nicht zurückbleiben,
auch die lange Strecke von der nur schwächlichen Mutter nicht
getragen werden konnte. Diese Schwierigkeit wurde indes eben¬
falls überwunden. Der gute Pommer, der wohl an seine Kinder
daheim dachte, erbot sich, auf seinem starken Arme das Kleinste
zu tragen. Er hatte kurz vorher gerade in diesem Dorfe neben
dem Hause der Frau im Quartier gelegen und sich mit den
Kindern befreundet, und so streckte ihm der Säugling auch seine
kleinen Arme entgegen und legte ganz zufrieden sein Köpfchen
an die Schulter des Mannes. So kam es, daß der preußische
Soldat des Franzosen Kind trug. Die Frau hing am Arme des
Gefangenen, der ältere Knabe schmiegte sich an den Vater, und
der Pommer mit dem jüngsten Kinde auf dem Arme ging neben¬
her. Unterwegs erzählte die Französin ihrem Manne, wie die
preußischen Soldaten, als sie krank und ohne Nahrungsmittel
gewesen sei, täglich Brot und Fleisch mit ihr geteilt, Holz und
Wasser herbeigetragen, Feuer angezündet und ihr noch weitere
Hilfe geleistet hätten. Die düstere Miene des Gefangenen hellte
sich dabei immer mehr auf, und plötzlich ließ er den Arm seiner
Frau fahren, und die beiden Männer, die zwei feindlichen Völkern
angehörten und vor wenigen Tagen vielleicht Mann gegen Mann
gefochten hatten, umarmten sich wie Brüder, ln herzlicher Freund¬
schaft langten sie miteinander in Corny an.
136.Meein pommericberf üiilier zum EisernenRreuz Kam.
Von 6rnU frommet.
In des Königs Rock. 3. Auflage. Berlin 1880. S. 121.
1.
^||n einem Morgen sah ein pommerscher Gutsherr unter feinen Arbeitern
'V'i einen Tagelöhner, der das Eiserne Krenz ans der Brust hatte. Als
Feierstunde war, ries er ihn zu sieh, und damit der maulfaule Pommer
ans Reden komme, gab er ihm zuerst etwas Ordentliches in den Magen:
denn dann fängt erst die Mühle an zu lausen.
Da fragte er ihn denn, wie er zum Eisernen Kreuz gekommen sei.
„Ja," meinte der Pommer, „das ist eine lange Geschichte; denn ich habe
es vom König Wilhelm selber gekriegt, und zwar fürs Einhalten." Der