Full text: Von Alexander d. Gr. bis Christus (Bd. 3)

14 Sechster Zeitraum. 
den Feinden nicht rächten, sondern ihnen sogar ihre Freiheit 
ließen. Nach und nach folgten sämmtliche Völkerschaften Un— 
teritaliens dem Beispiele der Tarentiner. Die Unterwerfung 
der Völker von Mittel- und Unteritalien unter die Römer 
hatte selbst für die Besiegten ihre Vortheile. Sich selbst über— 
iassen, hätten sie sich wahrscheinlich unter einander aufgerieben, 
oder wären die Beute ausländischer Feinde geworden. Nun 
hatten sie doch mächtige Vertheidiger, und erfreuten sich der 
Ruhe und Ordnung, ja gelangten unter ihren Besiegern zur 
Blüthe. Viele waren römische Bürger geworden, Viele hatten 
eine ziemliche Selbstständigkeit behälten. Die eigentlichen Un— 
terthanen (dediticii) zahlten Steuern und leisteten den römi— 
schen Obrigkeiten Dienste. Die Bundesgenossen (socii) ver— 
walteten ihre eigenen Angelegenheiten selbst, stellten Truppen 
zu der römischen Kriegesmacht, und bekamen ihren Theil an 
der Beute; ja die Latiner hatten in Rom selbst Stimmrecht. 
Die Unterwerfung der genannten Völker war für Roms 
Macht ein großer Zuwachs, und die Bekanntschaft mit den fei— 
nen Leuten in Großgriechenland brachte zuerst eine Art von äu— 
ßerer Bildung unter die Römer. Man fing jetzt an, statt der 
bisherigen Kupfermünze Silbergeld zu schlagen, und sich den 
Bart zu scheeren. Papirius Censor brachte 293 v. Chr. 
den ersten Sonnenzeiger nach Rom, und Fabius Pictor malte 
die Wände im Tempel der Gesundheit. Musik besorgte eine Zunft 
von etruscischen Flötenbläsern, und sie mag an Waffengellirr 
gewöhnten Ohren gut genug geklungen haben. Mit der Dicht— 
kunst hatte man durch Triumph-, Tafel- und religiöse Festlie— 
der einen bescheidenen Anfang gemacht. Schauspiele kannte 
man seit 364, die Schauspieler waren Ausländer und ver— 
achtet. Die ganze Geschichtschreibung bestand in der bloßen 
Aufzeichnung auf öffentlichen Denkmälern und in den Bü— 
chern der Priester. Die Rechtswissenschaft, worin die Römer 
sich später vor allen Völkern auszeichneten, war auch jetzt 
im Leben schon sehr ausgebildet, wurde aber zuerst vom Con— 
sul Flavius schriftlich bearbeitet (312). Er gehörte zur 
Zunft der Schreiber, und machte die Tage, an welchen nach 
den Vorschriften der Religion Gericht gehalten werden konnte 
(dies fasti), öffentlich bekannt, was bisher nur die Priester 
wußten. Die gebildeten Römer verstanden zwar Griechisch, 
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