14 Sechster Zeitraum.
den Feinden nicht rächten, sondern ihnen sogar ihre Freiheit
ließen. Nach und nach folgten sämmtliche Völkerschaften Un—
teritaliens dem Beispiele der Tarentiner. Die Unterwerfung
der Völker von Mittel- und Unteritalien unter die Römer
hatte selbst für die Besiegten ihre Vortheile. Sich selbst über—
iassen, hätten sie sich wahrscheinlich unter einander aufgerieben,
oder wären die Beute ausländischer Feinde geworden. Nun
hatten sie doch mächtige Vertheidiger, und erfreuten sich der
Ruhe und Ordnung, ja gelangten unter ihren Besiegern zur
Blüthe. Viele waren römische Bürger geworden, Viele hatten
eine ziemliche Selbstständigkeit behälten. Die eigentlichen Un—
terthanen (dediticii) zahlten Steuern und leisteten den römi—
schen Obrigkeiten Dienste. Die Bundesgenossen (socii) ver—
walteten ihre eigenen Angelegenheiten selbst, stellten Truppen
zu der römischen Kriegesmacht, und bekamen ihren Theil an
der Beute; ja die Latiner hatten in Rom selbst Stimmrecht.
Die Unterwerfung der genannten Völker war für Roms
Macht ein großer Zuwachs, und die Bekanntschaft mit den fei—
nen Leuten in Großgriechenland brachte zuerst eine Art von äu—
ßerer Bildung unter die Römer. Man fing jetzt an, statt der
bisherigen Kupfermünze Silbergeld zu schlagen, und sich den
Bart zu scheeren. Papirius Censor brachte 293 v. Chr.
den ersten Sonnenzeiger nach Rom, und Fabius Pictor malte
die Wände im Tempel der Gesundheit. Musik besorgte eine Zunft
von etruscischen Flötenbläsern, und sie mag an Waffengellirr
gewöhnten Ohren gut genug geklungen haben. Mit der Dicht—
kunst hatte man durch Triumph-, Tafel- und religiöse Festlie—
der einen bescheidenen Anfang gemacht. Schauspiele kannte
man seit 364, die Schauspieler waren Ausländer und ver—
achtet. Die ganze Geschichtschreibung bestand in der bloßen
Aufzeichnung auf öffentlichen Denkmälern und in den Bü—
chern der Priester. Die Rechtswissenschaft, worin die Römer
sich später vor allen Völkern auszeichneten, war auch jetzt
im Leben schon sehr ausgebildet, wurde aber zuerst vom Con—
sul Flavius schriftlich bearbeitet (312). Er gehörte zur
Zunft der Schreiber, und machte die Tage, an welchen nach
den Vorschriften der Religion Gericht gehalten werden konnte
(dies fasti), öffentlich bekannt, was bisher nur die Priester
wußten. Die gebildeten Römer verstanden zwar Griechisch,
52
14