Full text: Von Alexander d. Gr. bis Christus (Bd. 3)

Sechster Zeitraum. 
dankbare Volk ihm das Consulat, ja die Dictatur auf Le— 
benszeit verleihen wollte. Die römischen Feldherren hundert 
Jahre nach ihin waren weniger bescheiden, denn sie nahmen 
nicht nur das Gebotene, sondern auch das Verweigerte, zum 
Sturze der Freiheit. Es war Rom gelungen, die mächtige 
Nebenbuhlerinn zu demüthigen, aber nur unter schweren 
Opfern. Italien glich einer Wüste und einem Leichenfelde. 
Nachdem Karthagos Macht gänzlich gelähmt war, konnte 
nichts mehr den Römern die Herrschaft des Westens streitig 
machen, nun war auch der Gedanke an die Bezwingung des 
Ostens, ja der Welt, nicht mehr zu kühn. Wie sind aber 
die Römer ein welteroberndes Volkl geworden? Sie waren 
von Völkern umgeben, die ebenfalls erobern wollten; die 
Römer suchten daher ihr Dasein und ihren gewonnenen 
Besitz zu behaupten. Da sie durch Muth, Tapferkeit und Glück 
die glänzendsten Erfolge ihrer Waffen sahen, gelangten sie 
zum Bewußtsein ihrer Kraft, und hierdurch zur Herrschlust. 
Für die Armen war der Krieg erwünscht, weil sie nur da— 
durch sich größere Güter erwerben konnten; den vornehmen 
Familien war er genehm, weil er ihnen Gelegenheit bot, 
ihren Ehrgeiz zu befriedigen. Diese Umstände gaben die Ver— 
anlassung, daß die Römer die Welt erobern wollten; daß 
es ihnen gelang, hatte folgende Ursachen: Die Römer waren 
in den bessern Zeiten der Republik der Mehrzahl nach noch 
kräftig, unentnervt, von einfachen Sitten, wahre Männer, 
Rom üͤber Alles schätzend, für den Ruhm des Vaterlands 
wahrhaft begeistert. Ihre Gegner waren aber Söldner, welche 
bloß das lockere Band der Habsucht zusammenhielt, oder es 
waren Völker, die Genußsucht und Wollust verweichlichet 
hatten. Die Römer erfreuten sich eines geordneten Staates mit 
Recht und Gesetzen, und hielten auf Mannszucht, während 
in den übrigen Staaten Willkür oder Parteiwesen herrsch— 
ten. Sie verstanden es endlich, ihre Absichten schlau zu ver— 
bergen, von den jedesmaligen Zeitereignissen Nutzen zu schöpfen, 
gleich den heutigen Englaͤndern im Trüben zu fischen, und 
fremde Leidenschaften zum eigenen Vortheile auszubeuten. 
Ihre Politik waͤr vorsichtig, listig, langsam, aber sicher vor⸗ 
anschreitend, etwa wie jetzt die russische. Dann war den Roͤ— 
mern auch jedes Mittel recht, wenn es nur zum Zwecke 
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