Papst Leo der Große. 381
der zieht mit seinen Schaaren zurück, auf die Vorstellungen
eines waffenlosen heiligen Priesters. Rom war gerettet, und
empfing ihn, der solchen unblutigen Sieg erfocht, mit Ju—
bel. Geistesgröße erwies sich hier mächtiger, als rohe Kraft,
wie nach der griechischen Mythologie die Minerva den Mars
überflügelt. Wohl hat der Dichter Recht, wenn er spricht:
Das ist des Himmels Allgewalt,
Wenn sie tritt in die irdischen Kreise,
Und sichtbar in Geberd' und Gestalt
Durchkreuzt der Sterblichen Gleise;
Das ist der Heiligkeit Zaubersprüch,
Daß vor ihr erstirbt des Frevlers Fluch,
Daß Lust und Leidenschaft schweigen,
Und Ehrfurcht und Andacht sich zeigen.
Größeres — sagen die historisch-politischen Blätter mit Recht
Dhat die Welt noch nie gesehen, als den Papst in der
Mitte der Völkerwanderung. Wie einst Josua dem Volke
Israel seine Plätze angewiesen, doch mit dem Schwerte in
der Hand, so ordnete der römische Bischof in dieser Zeit
gänzlicher Verwirrung bloß durch sein Ansehen und sein vä—
ierliches Wort die Staatsverhältnisse von Europa, wahrte
auch in dieser Zeit Wissenschaft und Rechtspflege, Wahrheit
und Tugend, und wurde so zum Vater der Völker, wie
noch Keiner, so lange diese Welt steht.“
Drei Jahre nach Attilas Erscheinen zog Genserich, der
Vandalenkönig mit seinen Horden in Rom ein, und plün—
derte 14 Tage lang die Stadt. Diese verdankte es einzig
dem Verwenden Leo's, daß das Leben der Bewohner und
einige Kirchen von der Plünderung verschont blieben, und
leine Gebäude zerstört wurden. Nachdem die Vandalen ab—
gezogen waren, ging des großen Kirchenfürsten rastloses Stre-
ben dahin, die geschlagenen Wunden zu verbinden, das all—
gemeinẽ Elend zu lindern, die durch die Plünderung Ver—
armten zu unterstützen, und die beraubten Kirchen mit den
noͤthigen Geräthen wieder zu versehen. Er verschönerte die
Peterskirche, und stellte die vom Blitze beschädigte Paulus-
kirche her. Er vermochte die Placidia, die Schwester der
Kaiser Arcadius und Honorius dazu, daß sie auf dem gro⸗
ßen Bogen des Hauptschiffes der Kirche ein Bild Christi,