Full text: [Theil 1, [Schülerbd.]] (Theil 1, [Schülerbd.])

64 
meinte, er habe den Sieg und sei König, da flog der Zaunkönig zwischen 
seinen Beinen hervor und über ihn hinaus, so daß alle Vögel ihn als ihren 
König anerkennen mußten. Weil er aber eine so kleine Gestalt hatte, so 
wurde er von allen Vögeln verfolgt und geneckt, so daß sich der kleine König 
z zuletzt in die Zäune, Hecken und Holzstöße verkriechen mußte, um nur Ruhe 
zu haben. Und da treibt er denn sein Wesen bis auf den heutigen Tag. 
103. Dornröschen. 
Märchen. — Brüder Grimm.) 
Vor Zeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: 
10 „Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!“ und kriegten immer keins Da trug 
sich zu, als die Königin einmal im Bade saß, daß ein Frosch aus dem Wasser 
ans Land kroch und zu ihr sprach; „Dein Wunsch soll erfüllt werden; ehe 
ein Jahr vergeht, wirst du eine Tochter zur Welt bringen.“ Was der Frosch 
gesagt hatte, das geschah, und die Königin gebar ein Mädchen, das war so 
schön, daß der König vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes 
Fest anstellte. Er ladete nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten, 
sondern auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kind hold und ge⸗ 
wogen wären. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche; weil er aber 
nur zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten, so mußte eine 
von ihnen daheim bleiben. Das 
Fest ward mit aller Pracht ge— 
feiert, und als es zu Ende war, 
beschenkten die weisen Frauen das 
Kind mit ihren Wundergaben; die 
eine mit Tugend, die andere mit 
Schönheit, die dritte mit Reich— 
tum und so mit allem, was auf 
der Welt nur zu wünschen ist. 
Als elfe ihre Sprüche eben gethan 
hatten, trat plötzlich die dreigehnte 
herein. Sie wollte sich dafür 
rächen, daß sie nicht eingeladen 
war, und ohne jemand zu grüßen 
oder nur anzusehen, rief sie mit 
lauter Stimme: „Die Königstoch⸗ 
ter soll sich in ihrem funfzehnten 
Jahr an einer Spindel stechen 
und tot hinfallen.“ Und ohne ein 
Wort weiter zu sprechen, kehrte sie 
sich um und verließ den Saal. 
Alle waren erschrocken, da trat die 
zwölfte hervor, die ihren Wunsch 
noch übrig hatte, und weil sie 
den bbsen Spruch nicht aufheben, 
sondern nur ihn mildern konnte, so sagte sie: „Es soll aber kein Tod sein, 
sondern ein huͤndertjähriger liefer Schlaf, in welchen die Königstochter fälll 
15
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.