V. Aus dem deutschen vaterlande
160. O Deutschland!
1. Mondschein und Giebeldächer
in einer deutschen Stadt —
ich weiß nicht, warum der Anblick
mich stets ergriffen hat.
2. Da drüben beim Lampenscheine,
ein Jüngling starrt ins Licht,
und schwärmt und schluchzt und emp-
sein erstes und bestes Gedicht, ffindet
3. Dort sitzt eine junge Mutter,
die wiegt ihr Kind zur Ruh',
sie lächelt und sinnt und betet,
und singt ein Lied dazu.
4. Es blickt auf die mondhellenGiebel
tief sinnend ein Greis hinaus,
er hält in der Hand eine Bibel,
drin liegt ein welker Strauß.
5. Die Bäume rauschen, es funkeln
die Sterne ab und zu;
dort unten liegen die dunkeln
Häuser in tiefer Ruh'.
6. Es plätschert in alter Weise
am Simonsplatze der Born,
von weitem tutet leise
der Wächter in sein Horn...
7.0 Deutschland! mir tat's gefallen
in manchem fremden Land —
dir aber hat Gott vor allen
das beste Teil erkannt.
8. Du lebst und schwärmst und däm-
in tiefer Seelenruh, fmerst
wenn du dein Eisen hämmerst,
erklingt ein Lied dazu.
9. O lasse dir niemals rauben
die alte Schwärmerei
für Frauen, für Freiheit und Glau¬
bleib unentwegt dabei. fben —
10. Daß du vom Born der Sage
mögst schöpfen Frömmigkeit
und Kraft zu wuchtigem Schlage
nun und in alle Ewigkeit.
Prinz Emil zu Schoenaich-Carolath.
161. Auf der Wanderschaft durchs deutsche Land.
Erinnerungen eines reisenden Schmiedegesellen.
Da unten, wo der Neckar aus dem Württemberger „Ländle" hinaus¬
läuft, bin ich am Anfange der 70er Jahre auch hinaus; aber nicht ge¬
laufen, sondern nobel wie ein reisender Kaufmann habe ich mich auf
die Bahn gesetzt, und an meiner Kleidung hat's auch niemand gemerkt,
daß ich „bloß" ein Handwerksbursche war.