Full text: [Oberstufe, [Schülerbd.]] (Oberstufe, [Schülerbd.])

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doch ganz unmerklich nur sich fortbewege. Beim Näherkommen 
bemerkt man freilich bald, daß auch diess Masse meist in gleich- 
mãbiger Vorwärtsbewegung ist. Langsam, schrittweise geht die 
Herde weidend vor, soweit es die Weidefläche erlaubt, oder so- 
weit die Hirten es wünschen. Ebenso langsam und ebenso regel- 
mäbig und unaufhaltsam geht es zurück zur Tränke, sei es nun 
zum Pubhtabrunnen oder zum fliebenden Wasser. Dieses drei- oder 
viermalige Hin- und Herwandern von der Weide zum Wasser und 
zurück bildet den Tageslauf der Rinderherde. Das vollzieht 
sich mit solcher Ebenmäbbigkeit, daß man bei einiger Kenntnis 
der örtlichen Verhältnisse nach dem augenblicklichen Standort 
der Herde mit ziemlicher Sicherheit die Tageszeit bestimmen kann. 
Eigentümliceh ist dabei, dab bei diesom Vorgehen die vorderste 
Reihe oft eine gerade, man möchte sagen militärisch ausgerich-— 
tete Front bildet. Auch sonst Kann man eine gewisse strenge, 
natürliche Ordnung erkennen. So habe ieh beobachtet, wie eine 
grohe Herde abends von der Tokajer Pubta zurückkehrte; den 
Nachtrab bildeten sämtliche alté Bullen. Die ganze Herde be— 
nutzte den etwas weitern Weg über die Brücke, die alten Bullen, 
einer nach dem andern, den kürzern nebenher durch das tote 
Wasser, welches in beträchtlicher Breité vor dem Dorfe nach 
der Theihß sich hinzieht, worüber sie schwimmend setzten. 
4. In diesem Nachtrabe von Bullen werden auch die Kämpfe 
zwischen den einzelnen Bullen ausgefochten, die unheimlich 
genug aussehen, aber meist sehr ungefährlich enden. Die ge- 
waltigen Tiere mit den riesigen Hörnern, deren Spitzen oft gegen 
æwei Meter voneinander entfernt sind, überragen unser Rindvieh 
an Gröhße, Länge, namentlich aber an vollendétem Ebenmaßß des 
Kõrpers derart, dasß dieses dagegen zwerghaft und gewissermaben 
verkrüppelt aussieht. Bei den täglichen Kämpfen zwischen den 
Bullen einer solchen Herde, platzen diese mächtigen Körper mit 
einer solchen Gewalt aufeinander, dasß man unwillkürlich die 
Empfindung hat, es müsse das mit dem Tode des einen enden. 
Gewõöhnlich wird auch einer von beiden alsbald niedergeworfen, 
erhebt sich aber ebenso schnell und setzt den Kampft fort, wird 
vielleicht noch zwei- bis dreimal geworfen, und plötzlich endet 
das aufregende Schauspiel ebenso unvermittelt, wie es be— 
gonnen hat. 
Im allgemeinen aber, und besonders Menschen gegenüber, 
ist dieses ungarische Rindvieh auffallend gutartig. Anfangs hegt 
man eine gewisse Scheu, auf der Puhta durceh eine solehe Herde 
von 1200 oder mehr Stück hindurchzugehen, wenn man sie auf
	        
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