4
Einst an einem Morgen geht er betend und sinnend aus dem
Kloster in einen benachbarten Wald. Es war Frühling, und die Bäume
blühten. Er betet voll Liebe und Andacht. Als aber das Gebet
geendet, denkt er: „O mein Gott! Es ist nun Frühling, und bald folgt
der Sommer und dann der Herbst. Da ist Abwechselung von Monat
zu Monat. Deine Ewigkeit aber, sie ist unveränderlich dieselbe: — wie
wag auch sein dich liebender Geist dieses ewig Dasselbe ertragen und
nicht vergehen!"
Er geht, sinnend über den Gedanken, der ihn schon sonst oft
und viel beschäftigt, weiter und weiter in den Wald hinein. „Ja,
sterben wollte ich gern, wäre nur noch, solange ich im Fleische
walle, der Gedanke deiner Ewigkeit mir klar und verständlich. Dein
Anschauen ist süß; aber ewig, ohne Wechsel — wer erträgt den Ge¬
danken!"
Er geht sinnend und betend weiter. Und siehe, der Wald wird
immer fremdartiger. Statt der alten Eichen und Tannen kommt da
ein Gebüsch von Myrten, bald hernach ein Wald von Zedern, dann
von Palmen. Der Mönch will stehen bleiben, sich fragen, ob alles
nur Traum sei; aber der Gesang eines Vogels zieht den zögernden
Fuß weiter. Aus dem Wipfel einer Palme ertönt er, und zu ihrem
Fuße steht der Mensch endlich still, hinanstaunend nach dem Vogel mit
prächtigem Gefieder. Die Töne sind so trauernd, als klagten sie um
ein Vergangenes und Verlorenes, dazwischen aber so freudig, so selig,
als sprächen sie von einer nun bald kommenden, unvergänglichen Herrlich¬
keit der Kreaturen. Der Mönch horcht entzückt, es fließen ihm Tränen
der Trauer und der Himmelssehnsucht von den Wangen.
Aber bald hat das Auge keine Tränen mehr. Denn immer lieb¬
licher, immer lebendiger weht eine Luft des Paradieses; immer lauter
werden die Töne des Gesanges, welche von einer künftigen, ewig
bleibenden Herrlichkeit der Kreaturen sprechen. Der Mönch horcht und
schaut unverwandt nach dem Paradiesvogel hin.
Endlich, sich selbst gewaltig aufraffend, denkt er, siehe, es wird
wohl schon einige Stunden sein, seitdem du da stehst und horchst.
Der Weg ist noch weit; wohlauf, du willst für heute heimkehren nach
deinem Kloster. Morgen wird ja der Vogel wieder singen, und du
kommst dann und hörst ihn.
Er geht, vertieft in ein süßes Schmecken der Freuden der Ewigkeit,
von denen der Paradiesvogel gesungen, heimwärts, den Weg nach dem
Kloster. Der Wald wird bald wieder der heimatliche, nordische, und
statt der Palmen und Zedern kommen Eichen und Tannen.
Da ist denn der Rand des Waldes. Die Hügel sind noch die¬
selben; die Wasser der Erde haben noch denselben Laus; das Kloster
aber — nach so wenigen Stunden, scheint ein ganz anderes. Täuschen