Full text: Die Welt im Spiegel der Nationalliteratur ([5], [Schülerbd.])

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Pfund Trauben fassen. Je nach der Örtlichkeit werden diese 
schweren Lasten auch häufig bis hinunter ins Kelterhaus ge¬ 
schleppt. Vorher bearbeitet der Träger mit zwei Mostkolben 
*m Legel selbst die ganze Traubenmasse. Es bildet sich eine 
braungelbe und dunkelrote, nichts weniger als klare Brühe, die 
fiann in die Bottiche geschüttet wird. An einzelnen Stellen 
Werden die Trauben auch, statt in den Legeln bearbeitet zu 
werden, in einem großen Bottich von Winzern mit hüfthohen 
Riefeln getreten und geknetet Da die Mostbrühe nicht lange 
ln den Bütten mit den Trauben zusammenstehen darf, sondern 
sofort vollständig bearbeitet sein will, so geschieht das Geschäft 
des eigentlichen Kelterns häufig des Nachts. Die schweren 
kalken der Kelter treiben den Rebensaft bis auf den letzten 
Rest aus den Beeren heraus. Einladend sieht der junge Most, 
dor nun in großen Fässern in den Keller gebracht wird, nicht 
aus- Bis derselbe als goldheller oder dunkelroter Wein auf 
unsern Tisch kommt, hat er noch verschiedene Gärungs- und 
Währungsprozesse durchzumachen. 
. Gegen Abend ertönen vom rechten Rheinufer Flintenschüsse 
uwüber zum Zeichen, daß das Lesegeschäft für heute beendet 
lst- Die Weingärten bleiben die Nacht über, vom „Wingert- 
schuß« bewacht, geschlossen. Auf der linken Rheinseite wird 
Zar Öffnung der Weingärten morgens sieben Uhr und zum Schluß 
abends etwa sechs Uhr das Zeichen mit den Kirchenglocken ge¬ 
rben. Schüsse und Glockenschläge mischen sich mit dem 
ächzen der heimkehrenden Winzer, das Echo dieses Lebens 
Jnd Webens hallt in den Bergen wider; über uns steigen Ra- 
Kfcten auf, und bengalisches Feuer beleuchtet unsern Heimweg. 
Er kommt zur Welt auf sonnigem Stein, 
hoch über dem Rhein, hoch über dem Rhein, 
und wie er geboren, da jauchzt überall 
im Lande Trompeten- und Paukenschall; 
da wehen mit lustigen Flügeln 
die Fahnen von Burgen und Hügeln. 
Wilhelm Riehl. 
149. Auf dem Dome zu Metz. 
Es war der letzte Tag, den ich in Metz verbringen sollte, 
Unb so machte ich denn noch einmal denselben Weg, der einst mein 
^ster gewesen war, den Weg znm Dome. Noch einmal wollt' ich 
emporsteigen und einen letzten Blick tun aus die Stadt und ihre 
Schönheit. Bald war die höchste Staffel der Wendeltreppe erreicht, 
und so trat ich hinaus in die offene Brüstung. Da lag sie nun aus¬ 
gebreitet im Abendgold, die stolze Mofelstadt mit ihren zahllosen 
Uebeln und Dächern, mit ihren Palästen und Gärten, mit ihrem 
Prunk und ihrem Schmerz, der trotzig in allen Seelen liegt. Ruhig 
Die Welt im Spiegel. 15
	        
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