Full text: Ergänzungsband für Mittelschulen (Teil 4, [Schülerbd.])

46 ’ν’ν’ανα Gustav Frenssen e e ——e Ü—ce 
Gewehr, Geschütz und Maschinengewehr. Ein wildes Schnellfeuer 
prasselte gegen den müde werdenden Feind. Dann ging es von 
Mann zu Mann: „Wir wollen stürmen.“ 
Nun gellte der Ruf. Niemals in meinem Leben vergesse ich 
ihn. Mit wildem Schreien, mit verzerrten Gesichtern, mit trockenen, 
brennenden Augen sprangen wir auf und stürmten vorwärts. Die 
Feinde sprangen, schossen und stoben mit lautem Schreien zurück. Wir 
liefen ohne Unterbrechung schreiend, fluchend, schießend bis zu der 
ziemlich großen Lichtung, auf der die heißbegehrten Wasserlöcher 
lagen, und gleich darüber weg bis an ihren jenseitigen Rand, wo 
der Busch wieder anfing. 
Das ganze Lager: die schweren Wagen mit den langen Ochsen— 
reihen, die Hunderte von Pferden, die Lazarettwagen mit Arzten, 
Verwundeten und Toten, das Hauptquartier: alles kam hinterher 
und lagerte sich auf der Lichtung. Wir aber lagen rund um sie am 
Rand des Buschfelds und wehrten die Feinde, die bald hier, bald 
da in wilden Haufen mit lautem Schreien durch den dichten Busch 
heranbrachen. 
Und nun kletterten sie hinter uns mit Feldkesseln in die zehn 
Meter tiefen Wasserlöcher und füllten die Eimer, die an zusammen— 
gebundenen Zügeln herabgelassen wurden, und fingen an, Mensch 
und Tier zu tränken. Wenn je zehn Tiere ein wenig bekommen hatten, 
war das Wasserloch leer. Es waren wohl zehn oder zwölf Löcher 
an dieser Stelle. 
Die Sonne ging unter. Einige von uns schlichen vor und 
hieben mit ihren Seitengewehren Buschwerk ab und machten einen 
Kraal vor uns. Die Artilleristen stellten hinter uns die Maschinen— 
gewehre und Geschütze auf und knieten daneben. Abgesandte Kame— 
raden krochen von Mann zu Mann und gaben uns ein wenig Wasser. 
Hinter uns im Lager tränkten sie im Dunkeln die unruhig drängen— 
den Haufen der Tiere; an den Lazarettwagen gingen die Pfleger 
mit Laternen in der Hand und beugten sich über jeden. Dazwischen 
feuerten die Feinde noch immer. Rund ums Lager blitzte es 
auf im dunkeln Busch. 
Erst gegen Mitternacht wurde es stiller. Wir reichten uns von 
Hand zu Hand ein wenig Zwieback. Dann kam die völlige Dunkel— 
heit, und das Schießen hörte auf. Was hatte der Feind vor? Hier 
lagen wir, vierhundert Mann, in dunkler Nacht, übermüde, halb 
verdurstet, und vor uns und um uns ein wildes, rasendes Volk 
von sechzigtausend. Von den anderen deutschen Abteilungen wußten 
und hörten wir nichts. Vielleicht waren sie abgetan, und die sechzig⸗ 
tausend ziehen sich nun zusammen und fallen über uns. Von
	        
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