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nen zur Verschönerung des Verses, indem der Bewegung Mannigfaltigkeit,
dem Verse eine kunstvollere Gliederung zu teil wird. Cäsuren, welche
mit einer Hebung abschließen, nennt man männliche, die mit einer
Senkung schließenden weibliche. An einer bestimmten Stelle im Verse regel—
mäßig gebrauchte Cäsuren heißen Haupteäsuren (Hexameter).
Anmerkung. Die Mannigfaltigkeit der rhythmischen Bewegung wird
durch die Cäsur insofern erhöht, als der auf die Cäsur folgende
Versteil scheinbar dem entgegengesetzten Rhythmus angehört.
Wenn dagegen an einer bestimmten Stelle des Verses Versfuß und
Wortfuß zusammenfallen müssen, so daß also am Ende eines Versfußes
auch ein Wort endigt, so zerfällt der Vers in zwei Teile von gleichem
rhythmischen Charakter; ein solcher Einschnitt wird eine Diäresis genannt
(Alexandriner).
Am Ende der Verse oder nach einer Diäresis tritt bisweilen eine
Pause ein, d. h. ein Versfuß ist nicht vollständig vorhanden. Dergleichen
Verse nennt man katalektische HHexameter, Pentameter).
In der älteren deutschen Dichtung wurden (bis gegen das 16. Jahr—
hundert) die Verse nach einer bestimmten Zahl von Hebungen gemessen,
während die Thesis weniger in Betracht kam. Am bekanntesten ist die so—
genannte vierzeilige Nibelungenstrophe; die ersten drei Verse derselben
enthalten je 6 Hebungen, der vierte Vers 7 Hebungen. Jeder Vers Cang—
zeile) zerfällt durch eine (weibliche) Diäresis in zwei Hälften Galbzeilen)
von je drei Hebungen: die letzte Halbzeile hat 4 Hebungen. Zwischen den
einzelnen Hebungen fehlt bisweilen die Senkung, bisweilen besteht diese
auch aus zwei oder drei Silben. Auf die Entstehung dieses Versmaßes
hatte der große Reichtum der älteren deutschen Sprache an volltonigen
Silben wesentlichsten Einfluß. Mit der schon im Mittelhochdeutschen be—
ginnenden und im Neuhochdeutschen immer weiterschreitenden Abschwächung
der Flexions- und Bildungssilben, mit dem Eindringen zahlreicher tonloser
Silben wurde auch der Versbau der alten Zeit gestört. Es trat eine solche
Verwirrung ein, daß man eine Zeit lang (im 16. Jahrhundert) nur die
Silben im Verse, ohne Rücksicht auf Hebung und Senkung, zählte. Der
schlesische Dichter Martin Opitz in seinem Büchlein von der deutschen
Poeterei (1624) macht zuerst geltend, daß in deutschen Versen gerade so
regelmäßig abgewechselt werden müsse zwischen Hebung und Senkung wie
in der antiken Metrik zwischen Länge und Kürze. Die Metrik der Alten drang
in die deutsche Dichtung ein und hat sich in ihr bis auf diese Zeit behauptet.
Erst in neuerer Zeit, seit Goethe, Schiller und namentlich seit dem Er—
blühen einer eignen deutschen Sprachwissenschaft auf Grund historischer
Forschung, hat das alte deutsche Gesetz des Versbaues nach Hebungen
und Senkungen wieder Eingang gefunden und ist von patriotischen und
volkstümlichen Dichtern (wie Arndt und Rückert) vielfach wieder befolgt
worden.