Full text: [Theil 3, [Schülerbd.]] (Theil 3)

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Pallas versetzte: 'Bedenke dich wohl und gieb mir den Apfel, 
Und du wirst der niächtigste Mann; eS fürchten dich alle, 
Wird dein Name genannt, so Feind, als Freunde zusammen.' 
Venus sprach: 'Was soll die Gewalt? was sollen die Schätze? 
Ist dein Vater nicht König Priamus? deine Gebrüder 
Hektor und andre, sind sie nicht reich und mächtig im Lande? 
Ist nicht Troja geschützt von seinem Heere? und habt ihr 
Nicht umher das Land bezwungen und fernere Völker? 
Wirst du die schönste mich preisen und mir den Apfel ertheilen, 
Sollst du des herrlichsten Schatzes auf dieser Erde dich freuen. 
Dieser Schatz ist ein treffliches Weib, die schönste von allen, 
Tugendsam, edel und weise, wer könnte würdig sie loben? 
Gieb mir den Apfel, du sollst des griechischen Königs Gemahlin, 
Helena mein' ich, die schöne, den Schatz der Schätze besitzen.' 
'Und er gab ihr den Apfel und pries sie vor allen die schönste. 
Aber sie half ihm dagegen die schöne Königin rauben, 
Menelaus Gemahlin, sie ward in Troja die Seine. 
Diese Geschichte sah man erhaben im mittelsten Felde. 
Und es waren Schilder umher mit künstlichen Schriften; 
Jeder durfte nur lesen, und so verstand er die Fabel. 
'Höret nun weiter vom Spiegel! daran die Stelle des Glases 
Ein Beryll vertrat von großer Klarheit und Schönheit; 
Alles zeigte sich drin, und wenn cs meilenweit vorgreng, 
War es Tag oder Nacht. Und hatte jemand im Antlitz 
Einen Fehler, wie er auch war, ein Fleckchen im Auge; 
Durft' er sich nur im Spiegel besehn, so giengen von Stund' an 
Alle Mängel hinweg und alle fremden Gebrechen. 
Jst's ein Wunder, daß mich es verdrießt, den Spiegel zu missen? 
Und es war ein köstliches Holz zur Fassung der Tafel, 
Sethym heißt es, genommen, von festem, glänzendem Wüchse, 
Keine Würmer stechen es an und wird auch, wie billig, 
Höher gehalten als Gold, nur Ebenholz kommt ihm am nächsten. 
Denn aus diesem verfertigt' einmal ein trefflicher Künstler 
Unter König Krompardes ein Pferd von seltnem Vermögen, 
Eine Stunde brauchte der Reiter und mehr nicht zu hundert 
Meilen. Ich könnte die Sache für jetzt nicht gründlich erzählen, 
Denn es fand sich kein ähnliches Roß, so lange die Welt steht. 
'Anderthalb Fuß war rings die ganze Breite des Rahmens 
Um die Tafel herum, geziert mit künstlichem Schnitzwerk, 
Und mit goldenen Lettern stand unter jeglichem Bilde, 
Wie sich's gehört, die Bedeutung geschrieben. Ich will die Geschichten 
Kürzlich erzählen. Die erste war von dem neidischen Pferde: 
Um die Wette gedacht' es mit einem Hirsche zu laufen; 
Aber hinter ihm blieb eS zurück, das schmerzte gewaltig; 
Und es eilte darauf mit einem Hirten zu reden, 
Sprach: 'Du findest dein Glück, wenn du mir eilig gehorchest. 
Setze dich auf, ich bringe dich hin, cs hat sich vor kurzem 
Dort ein Hirsch im Walde verborgen, den sollst du gewinnen; 
Fleisch und Haut und Geweih, du magst sie theuer verkaufen, 
Setze dich auf, wir wollen ihm nach!' — 'Das will ich wohl wagen!' 
Sagte der Hirt und setzte sich auf, sie eilten von dannen. 
Und sie erblickten den Hirsch in kurzem, folgten behende 
Seiner Spur und jagten ihm nach. Er hatte den Vorsprung, 
Und es ward dem Pferde zu sauer; da sagt' es zum Manne: 
'Sitze was ab, ich bin müde geworden, der Ruhe bedarf ich.' 
'Nein, wahrhaftig!' versetzte der Mann, 'du sollst mir gehorchen,
	        
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