IIl. Aus der Fremde.
310. Auf der Alm.
1. Wenn der Frühsommer kommt und die Hochmatten ergrünen,
so öffnen sich unten im Tal die Tore und Ställe der Gehöfte; mit
klingenden Schellen, hüpfend und blökend, ziehen die Rinder, auch
Ziegen und Schafe, selbst Schweine den sonnigen Höhen zu, und das
Jodeln der Sennerin und das Jauchzen der Halterbuben klingt von
den Felsen wieder. Die Leutchen freuen sich auf die Höhe. Mag
die Sennhütte noch so ärmlich sein, noch so mühevolle Arbeiten
fordern, sie bietet ein freies Leben. Mehl und Salz, ein paar Töpfe
und einen dicken Lodenkittel nehmen die Senner mit hinauf, damit
wissen sie nach ihrem Geschmacke ein Wohlleben zu führen. Ihr
ganzes Bestreben haben sie darauf zu richten, daß sie dem Dienst—
herrn unten möglichst viel Käse und Butter gewinnen. Die Herde
und der Stall und der Klee und das fette Blättergras, das sind
die Hauptsachen; nach etwas anderem hat die Sennerin, hat der
Almbub' nicht zu fragen. Die Almhütte ist aus rohen Balken ge—
zimmert, welche auf einem Steinlager ruhen. Die vier Bretter—
wände deckt das sehr flache Dach, dessen lange Schindeln nicht fest—
genagelt sind, sondern nur durch querüber gelegte, mit großen Steinen
beschwerte Latten vor dem Davonfliegen bei Wind und Wetter ge—
schützt werden. Das Dach steht ringsum weit vor, so daß es eine
Art von Schuppen bildet, unter welchem Heu, Holz und Gerät—
schaften vor Regen verwahrt werden. Die Türe steht angelweit offen;
nur ein niederes Gatter mit einem Schnapper ist lose angelehnt,
damit das Vieh nicht hereinkann. Vor Räubern und Dieben fürchtet
sich der Almer nicht; denn so hoch oben gibt es keine Schätze mehr
zu stehlen. Nur wenn er sich weiter entfernt, versperrt er seine Woh—
nung mit einem einfachen Holzschloß.
2. Die Sennerin schafft mit Kübeln und Kesseln, bereitet das
Stallfutter, besorgt das Melken; der Almbub' ist Hüter der Herde,
treibt sie auf Weiden, abgemähte Wiesen und Heidegelände und führt
sie abends wieder in den Stall. Beide essen die gekochte Milch und