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Doch Hansjörg war bei seinen dreihundert Gulden nicht froh; er
sehnte sich zu sterben, um bald wieder zu seinen drei Söhnen zu kommen,
die er für gewiß tot hielt und längst im Himmel vermutete. Er war oft
sehr niedergeschlagen.
„Ich werde allein sterben!" sprach er, „und an meinem Totenbette wird
kein mitleidiges Auge weinen, und meine brechenden Augen wird nicht die
Weiche Hand eines geliebten Sohnes zudrücken. Hätt' ich nur wenigstens
den kleinen Veit behalten." Doch Hansjörg starb nicht, ward vielmehr
wieder gesund und pflegte sich im Alter gar wohl und that sich alle
Wochen einmal am Sonntag im Wirtshause beim Schoppen Wein gütlich.
An einem schönen Sonntagabend saß er mit anderen Bauern vor dem
Wirtshause unter der alten, blühenden Linde. Hui! kommt wie ein Wetter
ins Dorf gesprengt ein Bedienter zu Pferde, in roten Scharlach gekleidet,
mit silbernen Tressen daran. Er hielt vor dem Wirtshause still und fragte mit
lauter Stimme: „Wohnt hier im Dorfe der Herr Hans Georg Schmid?"
Die Bauern verwunderten sich und sprachen: „Ja freilich, er trinkt
sein Schöppli unter der alten Linde." Da drehte der Bediente das Roß
um und ritt schnell wieder zurück in vollem Galopp. Und die Bauern
gingen alle zum Hansjörg und erzählten, was sie gehört und gesehen,
und rieten hin und her, was es bedeuten könne.
Siehe, da kamen zwei prächtige Klitschen ins Dorf und hielten vor
der Wohnung des Hansjörg still. Da stiegen drei junge Herren und zwei
schöne Damen iit reichen Kleidern heraus, und alle fielen mit offenen Armen
an den Hals des alten Hansjörg, der nicht lvußte, lvie ihm geschah. „Vater,
kennt Ihr uns nicht?" rief der älteste, „ich bin Euer Peter und dermalen ein
Spezerei- und Gewürzhäudler in Warschau, und diese Dame ist meine Frau!"
Darauf sprach der zweite Herr: „Und ich bin Euer Gabriel, und dies
ist meine Frau, und ich habe bisher großen Kornhandel in Warschall ge¬
trieben." — Nachher sprach der dritte: „Und ich bin Euer Veit und komme
aus Ostindien, wohin ich dreimal mit allerlei Waren reiste; ich habe aus
den Zeitungen den Aufenthalt meiner Brüder erfahren unb mir ein Land¬
gut bei Warschau gekauft. Nun kommen wir und wollen Euch mit uns
nehmen und Euer im Alter pflegen!"
Da weinte der arme Hansjörg Freudenthränen am Halse seiner viel¬
geliebten Kinder und segnete sie und ihre Weiber.
„Ja", riefen die Söhne, „Ihr müßt bei lms wohnen; denn Euch nur
sind lvir unser Glück schuldig. Hättet Ihr uns nicht gelehrt, Moos und
Lumpen, Knochen und Haare, Kräuter und Federn, Baumsamen und Rosen¬
blatter und dergleichen zu sammeln und zu benutzen, so wären wir noch
heute arme Bettler. Aber wir haben Euren Spruch uns oft vorgebetet,
wenn's uns sauer ward:
„Bettelbrot ist bittre Not;
Diebesbrot bringt Galgentod;
aber Arbeit segnet Gott!" —
und dann ging's!" Also sprachen die frommen Söhne und nahmen ihren
hochbeglückten Vater mit sich und vermachten das Geld, das er beim Kauf-
Die Welt im Spiegel. II. N. 0. 25