fullscreen: Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen

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52. Die wundervolle Ordnung des Staates. 
Markt und Straße werden stiller; 
um des Lichts gesell'ge Flamme 
sammeln sich die Hausbewohner, 
und das Stadtthor schließt sich knarrend. 
Schwarz bedecket 
sich die Erde: 
doch den sichern Bürger schrecket 
nicht die Nacht, 
die den Bösen gräßlich wecket; 
denn das Auge des Gesetzes wacht. 
Heil'ge Ordnung, segensreiche 
Himmelstochter, die das Gleiche 
frei und leicht und freudig bindet, 
die der Städte Bau gegründet, 
die herein von den Gefilden 
rief den ungeselligen Wilden, 
eintrat in der Menschen Hütten, 
sie gewöhnt zu sanften Sitten, 
und das teuerste der Bande 
wob, den Trieb zum Vaterlande! 
Tausend fteiß'ge Hände regen, 
helfen sich in munterm Bund, 
und in feurigem Bewegen 
werden alle Kräfte kund. 
Meister rührt sich und Geselle 
in der Freiheit heil'gem Schutz; 
jeder freut sich seiner Stelle, 
bietet dem Verächter Trutz. 
Arbeit ist des Bürgers Zierde, 
Segen ist der Mühe Preis; 
ehrt den König seine Würde, 
ehret uns der Hände Fleiß. 
Holder Friede, 
süße Eintracht, 
weilet, weilet 
l freundlich über dieser Stadt! 
Möge nie der Tag erscheinen, 
wo des rauhen Krieges Horden 
dieses stille Thal durchtoben, 
wo der Himmel, 
den des Abends sanfte Röte 
lieblich malt, 
von der Dörfer, von der Städte 
wildem Brande schrecklich strahlt^ 
52. Pie wundervolle Ordnung des Staates. 
Alle kennen die hübsche Erzählung von Abraham und Lot: wie sie 
in Streit über ihre Weideplätze gerieten, aber sich lieber mit ihren Herden 
trennten, als uneinig zusammenlebten. Sie konnten dieses Auskunsts¬ 
mittel zum Frieden ergreifen: denn sie waren als Nomaden nirgends 
angesiedelt. Hätten sie aber einen festen Wohnplatz gehabt, so wäre 
ihnen nichts übrig geblieben, als sich zn vertragen. Und was wäre 
wohl das Nächste für diesen Zweck gewesen, um häusigen Streit zu ver¬ 
meiden? Offenbar hätten sie ihren Besitz genau abgrenzen müssen. 
Wenn nun die Zahl der Zusammenwohnenden wuchs, wenn nicht mehr 
jeder für seine Bedürfnisse selbst sorgte, sondern der eine dieses, der 
andere jenes Gewerbe trieb und sich zunächst ein Tauschhandel entwickelte; 
wenn dadurch die Fragen über das „Mein und Dein" immer schwieriger 
wurden; wenn endlich unter den durch ihre Wohnsitze Verbundenen auch 
Unruhige waren, welche in Schranken gehalten und nötigenfalls durch 
Strafen von der Wiederholung ihrer Ruhestörungen und Missethaten 
abgeschreckt werden mußten: so ist leicht einzusehen, daß es fester Gesetze 
bedurfte, durch welche Handel und Wandel geregelt und jedem das Maß 
seiner Freiheit zugewiesen wurde, daniit er die andern nicht in ihren 
Ansprüchen auf die gleiche Freiheit beeinträchtigte. Und nicht nur mußte
	        
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