Arndt: Das Lied vom Feldmarschall.
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den gewaltigen General auf dem Pferde zu schauen! Das Auge leuchtet
klar, das schneeweiße Haar wallet im Winde, die frische Gesichtsfarbe
ist die eines Jünglings. Er ist wie greifender (alt werdender) Wein,
der, je länger er lagert, desto kräftiger und feuriger wird. Einen solchen
Greis kann man schon, wie der Dichter sagt, zum „Verwalter des Schlacht¬
feldes'' machen. Mit diesen wenigen Worten gibt der Dichter, der ja
den Helden selbst gekannt hat, uns ein äußeres Bild desselben, wie es
nicht schöner sein kann. Wie zutreffend Arndts Schilderung ist, erkennen
wir auch, wenn wir diejenige eines andern Zeitgenossen damit vergleichen.
Varnhagen von Ense sagt: „Blücher war von großer Gestalt, von wohl¬
gebildeten, starken Gliedern. Ein herrlicher Schädel, eine prächtige Stirn,
eine stark gekrümmte Nase, scharfe, heftig rollende und doch im Grunde
sanft blinkende Augen, dunkel gerötete Wangen, ein feiner, aber vom
starken, herabhängenden Schnurrbart fast überschatteter Mund, ein wohl¬
geformtes starkes Kinn: alles dies stimmte mit einem tüchtigen Menschen¬
antlitz überein, dessen ausgearbeitete Züge sogleich einen bedeutenden
Charakter erkennen ließen. Mut und Kühnheit leuchteten ans seinem
ganzen Wesen hervor." Und Arndt selbst sagt von Blücher in seinen
„Erinnerungen aus dem äußern Leben": „Trotz seines Alters trug er
eine herrliche Gestalt, groß und schnell, mit den schönsten, rundesten
Gliedern vom Kopf bis zum Fuß, seine Arme, Beine und Schenkel noch
fast wie die eines Jünglings, scharf und fest gezeichnet."
Str. 3. Mit seinen körperlichen Eigenschaften paarten sich auch die
geistigen. Als allen der Mut sank, da war er es, der mit aller Energie
und Entschlossenheit mutig den Degen noch gen Himmel schwang zum
Zeichen, daß er nicht allein aus sich vertraute, sondern auch der Hilfe
Gottes sicher war. Wem fielen hier nicht die Worte ein: „Was ist's,
daß ihr mich rühmt? Es waren meine Verwegenheit, Gneisenaus Be¬
sonnenheit und des großen Gottes Barmherzigkeit!" Seinen Schwur,
„den Welschen zu weisen die deutscheste Art", hatte er schon geleistet, als
er in Lübeck 1806 das Schwert in die Scheide stecken mußte.
Str. 4. „Den Schwur hat er gehalten." Jedes Blatt der Geschichte
der Freiheitskriege bekundet das. Kaum war der Kriegsruf des Königs
vom 17. März 1813 erklungen, da saß der >,weiße Jüngling" schon im
Sattel und ließ nicht eher ab, als bis er mit eisernem Besen, d. h. den
Bajonetten und Säbeln seiner Soldaten, den „Kehraus" gemacht, d. h.
die Franzosen aus Deutschland hinausgekehrt hatte.
Str. 5. In dieser und den folgenden Strophen führt uns der
Dichter die einzelnen Schlachten vor, die Blücher 1813 gewann. Zuerst
gedenkt der Dichter der Lützener Schlacht bei Großgörschen am 2. Mai
1813. Hier ging es hart her. Die Preußen hatten fast ganz allein gegen
die Übermacht des Feindes zu kämpfen, da die verbündeten Russen mehr
wie Zuschauer als wie Teilnehmer erschienen; vielen Tausend Welschen
„ging da der Atem aus"; denn 15 000 tote und verwundete Franzosen
bedeckten das Schlachtfeld, und eine große Anzahl „liefen hasigen Lauf",
d. h. so schnell wie die Hasen davon. Auch die Verbündeten hatten große