Full text: Charakterbilder deutschen Landes und Lebens für Schule und Haus (Theil 3)

129 
in einer Stunde mehr, als sie selbst in einer Woche bei allem Fleiß 
gearbeitet hätten. „Nun/' sprach er, „sagt's keinem Menschen je, daß 
ihr mich gesehen habt," und dabei schlug er mit der Faust links in die 
Seitenwand; sie that sich aus einander, und die Bergleute erblickten eine 
lange Strecke, ganz von Gold und Silber schimmernd. Und weil der 
unerwartete Glanz ihre Augen blendete, so wendeten sie sich ab: als sie 
aber wieder hinschaueten, war Alles verschwunden. Hätten sie ihre Hacke 
oder sonst nur einen Theil ihres Gezähes hineingeworfen, so wäre die 
Strecke offen geblieben, und es wäre ihnen viel Reichthum und Ehre 
geworden, aber so war es vorbei, weil sie ihre Augen davon abgewandt 
hatten. Doch blieb ihnen auf ihrem Geleucht das Oel des Berggeistes, 
das nicht abnahm und darum großen Vortheil gewährte. Aber nach 
Jahren, als sie einmal am Sonnabend mit ihren guten Freunden im 
Wirthshaus sich lustig machten, erzählten sie die ganze Geschichte, und 
am Montag Morgen, als sie anfuhren, war kein Oel mehr auf der 
Lampe, und sie mußten fortan wie die andern Bergleute stets frisch auf- 
schütten." 
Indem wir dem erzählenden und erklärenden Führer überall nach- 
folgten, gelangten wir an einen der inneren Eingänge des tiefen 
Georgstollens, 
durch welchen die die Grube befahrenden Reisenden gewöhnlich wieder 
an das Tageslicht gefördert werden. 
Dieser Stollen ist eins der großartigsten, kühnsten und vortheil- 
haftesten Werke, die jemals im Innern der Erde unternommen worden 
sind. Tausend Schwierigkeiten setzten sich der Vollendung entgegen. Viele 
Gruben waren nämlich so tief, daß es in einigen nicht mehr möglich war, 
ihr Grundwasser herauszuschaffen, während in andern die Hebung des 
Wassers durch Künste immer beschwerlicher wurde. Mit Schrecken blickten 
die Bergleute in die Zukunft und glaubten schon, der Bergbau müsse 
über kurz oder lang ganz erliegen. Da kam der damalige Berghaupt- 
mann von Reden auf die kühne Idee, einen Stollen zu treiben, der drei 
Stunden lang und 36,541 Fuß durch das Gebirge hinansteigend die 
Gruben von ihren Wassern befreie; allein die Behörden zweifelten an dem 
glücklichen Ersolg dieser kostspieligen Unternehmung. Jahre vergingen, 
und immer gefährlicher, immer drohender zeigten sich die Gewässer im 
Innern der Erde. Reden aber sparte keine Mühe, seine Idee zu ver- 
wirklichen, und setzte es endlich beim Könige Georg III. durch, der auch 
den größten Theil der Kosten, die sich am Ende des Werks auf 
412,142 Thaler beliefen, auf sich nahm. Am 26. Juli des Jahres 1777 
schlug Reden unter Musik, Kanonendonner und Freudengeschrei des 
Volks in den Felsen bei Grund ein, von wo der Stollen durch das 
Gebirge hinausgeführt werden sollte. Der Bergmeister Stelzner, dann 
von Trebra und endlich der Berghauptmann von Meding leiteten den 
Bau, ließen auch von der entgegengesetzten Seite, von den Gruben her, 
Grube, Geogr. Charakterbilder. III. 10. Aufl. 9
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.