Full text: [Theil 3, [Schülerbd.]] (Theil 3, [Schülerbd.])

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die Natur jener Gegendeil gefördert wurden ist. Wenn in Bau¬ 
werken ans alter Zeit das Auge etwas schönes und gediegenes, ein 
ausdrucksvolles Gepräge sucht, da findet es erquickende Weide in 
dieser Städte Gassen voll alter, mit reichem Schnitz- iiub Bildwerk 
und mit frommen Sprüchen gezierter Häuser aus Holz und Stein, 
über welche ansehnliche Kirchen und Nathhäuser emporsteigen. Wen 
erfreut hier z. B. nicht jener alte deutsche Giebelbau, der so male¬ 
risch und stattlich jedes Haus wie eine fest und stolz dastehende Burg . 
in der Reihe der andern erscheinen läßt? Städte, wie Braunschweig, 
Lüneburg oder Münster, Osnabrück oder selbst Soest und Pader¬ 
born, enthalten in den genannten Beziehungen noch viel lobwürdiges 
und machen einen wohnlichen, gilt deutschen Eindruck. Im Süden 
Deutschlands ist, die Kirchen abgerechnet, verhältuißmäßig seltener 
ein gutes Bauwerk aus alter Zeit vorhanden. Unter den größeren 
Städten haben eigentlich nur Nürnberg und Regensburg den alteil 
.Charakter zu bewahren gewußt; denn selbst die frühere Krönungs- 
und die Kaiserstadt, selbst Frankfurt iinb Wien, sind durch die neuere 
Bailkunst unigestaltet worden. 3. Kühen. 
136. Marsch, Geest und Moor. 
Marsch, Geest lind Moor vergegenwärtigell lins gewissermaßen 
die menschlichen Temperamente. Die Marsch repräsentiert, auf den 
ersten Blick erkeiinbar, das phlegmatische. Ihre ewigen, schnurge- 
raden Linien, die wagerechte, ruhige Ebene mit dem einförmigen 
Grün, die träge fließenden Binnengewässer, der zähe, thonige Boden, 
die schweren, behäbigen Thiere, die Bevölkerung, alles ist ein Bild 
des rllhigen Phlegmas, wie feine andere Gegend es bietet. Die 
leichte Geest dagegen ist durch nnb durch sauguinisch. Hier ist alles 
Wechsel, bald erlist, bald heiter, bald dürr, bald fruchtbar, bald 
Thal, bald Hügel; hier dämmeriger Wald, dort schattenlose Sand- 
wüste; hier grünender Wicsengrund und walleilde Kornfelder, dort 
steiniges, unfruchtbares Heideland; hier rauschende Mühlenbäche, dort 
stille, rohrumflüsterte Teiche. — Alles in schroffen Gegensätzen wie 
der Ailsdruck eines sanguinischen Gemüths. Wie das Geestvieh 
leichter iiiid lebhafter ist als das Vieh der Marsch, so oft anch der 
Menschenschlag. Im Moor endlich findet die tiefste Melancholie 
ihren Anödruck, welchen der köstlichste Frühlingsmorgen und der 
sonnigblaueste Sommertag nicht ganz verscheuchen können, der aber 
bei trübem, wolkigem Himmel, im Spätherbst und zur Winterzeit, 
wahrhaft grauenerregend auf die Seele zu wirken vermag. Nie wird 
man von diesem Eindrücke so mächtig berührt, als wenn man kaum 
noch die Wiesen der Marsch durchwanderte und nun plötzlich das 
Moor betritt. Mit einem Male ist man in einer andern Welt. 
Alles heitere Grün ist verschwunden, nichts zu erblicken als ödes, 
schwarzbrauneö Land von unheimlichem, verbranntem Ansehen, be¬ 
grenzt von einer ernsten, tiefblauen Ebene. Da und dort wallt eine 
graue Rauchmasse still zum Himmel, so daß man stch oft in einer
	        
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