Full text: [Theil 3, [Schülerbd.]] (Theil 3, [Schülerbd.])

397 
Als der Gewählte drauf sich niederließ, 
Ergriff er seines edlen Vetters Hand 
Und zog ihn zu sich auf den Königssitz. 
Und in den Ring der Fürsten trat 
sofort 
Tic fromme Kaiserwitwe Kunigund-; 
Glückwünschend reichte sic dem neuen 
König 
Die treu bewahrten Reichskleinvde 
dar. — 
Zum Festzug aber scharten sich die 
Reih'n, 
Voran der König, folgend mit Gesang 
Tie Geistlichen und Laien: so viel 
Preis 
Erscholl zum Himmel nie an einem Tag; 
Wär'KaiserKarl gestiegen ansderGruft, 
Nicht freudiger hätt' ihn die Welt be¬ 
grüßt. 
So wallten sie den Strom entlang 
nach Mainz, 
Woselbst der König im erhabnen Tom 
Der Salbung heilge Weihe nun em¬ 
pfing. 
Wen seines Volkes Nus so hoch gestellt, 
Dem fehle nicht die Kräftigung von 
Gott! 
Und als er wieder ans dem Tempel 
trat, 
Erschien er herrlicher als kaum zuvor. 
Und seine Schulter ragt' ob allem Volk. 
Ahlaud. 
257. Heinrich IV. und Gregor VII. 
Seitdem die Bischöfe über die von den Gemeinden gewählteri Älte¬ 
sten sich erhoben und das oberste Vorsteheramt in den christlichen Ge¬ 
meinden errungen hatten, wurde auch unter ihnen selbst der Rangstreit 
rege. Die Bischöfe der Hauptstadt wollten mehr sein als die der kleineren 
Städte, und die Bischöfe der größten Städte suchten sich zu Aufsehern 
über alle übrigen emporzuschwingen. Aber auch unter diesen begann der 
Kampf, wer der vornehmste unter ihnen und der Herr der gesammten 
Christenheit sein sollte. Dem Bischöfe von dem weltbeherrschcnden Rom 
gelang es, den Sieg in diesem Streite zu erringen. Die Sage, daß der 
Apostel Petrus der Stifter der römischen Gemeinde und der erste Bischof 
daselbst gewesen sei, erleichterte ihm sein stolzes Streben. Und als end¬ 
lich die Apostel der Deutschen, vornehmlich Bonifacius, mit dem Christen- 
thume zugleich des Papstes Ansehen in Deutschland predigten, und Pipin, 
der Frankenkönig, und Karl der Große durch Schenkungen weltlicher 
Besitzthümer den Grund zum Kirchenstaate legten, da war die Herrschaft 
der Päpste über die abendländische Christenheit begründet und eine lange 
schmachvolle Zeit für unser deutsches Vaterland herbeigerufen. Mochten 
auch nachher ein ganzes Jahrhundert hindurch die unwürdigsten, ja 
sogar ruchlosesten Menschen auf dem Stuhle des Apostels Petrus sitzen, 
einst sogar ein 12jähriger Knabe der Stellvertreter Christi heißen, und 
später zn gleicher Zeit drei für Geld erwählte Päpste den heiligen Stuhl 
entweihen — das Ansehen der päpstlichen Würde war nicht mehr zu 
vernichten. Dazu kam noch, daß auch eine Reihe solcher Päpste regierte, 
die mit Klugheit und eisernem Willen die Herrschaft über Könige und 
Kaiser und über alle Länder der Christenheit zu erhalten strebten; die 
da lehrten, was Gott im Himmel sei, das seien sie auf Erden, und sie 
allein hätten das Recht, den Fürsten die Kronen zu geben und zu neh¬ 
men. Einer der ersten war Gregor VII., der Sohn eines Schmiedes, 
der von 1073 bis 1085 die päpstliche Macht zum höchsten Gipfel führte. 
Er lehrte öffentlich, er sei der sichtbare Stellvertreter Gottes auf Erden; 
er habe Macht, den Königen ihr Reich zu nehmen und anderen es zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.