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gemeiner. Daß der König den auf ihn gesetzten Hoffnungen voll
uünd ganz entsprach, das zeigte sich bald, als er zum Schwerte
greifen mußte Es war ihm vergönnt, im Laufe seiner segens—
reichen Regierung unvergänglichen Ruhm zu erwerben; Fürsten
und Völker ehrten ihn in seiner Stellung, die er sich ebensowohl
durch Reinheit der Gesinnung als durch beispiellose Erfolge der
Waffen erwarb.
Bei dem Streben, Deutschland groß und mächtig zu sehen,
versäumte er jedoch nicht, auch nach anderer Seite das Wohl
seiner Unterthanen eifrigst zu fördern. Als seine besondere Auf—
gabe sah er die Fürsorge für die Arbeiter und den Schutz der
MAmen und Bedrängten an. Er wollte „die wirklichen Härten
des Schicksals“, über welche die Arbeiter zu klagen hatten, mög—
lichst gemildert sehen. Als berechtigt erkannte man die Klagen
über das Mißverhältnis zwischen Lohn und Arbeit, die Gesund—
heitsschädlichkeit vieler Arbeitsräume und die trübe Aussicht aufs
Alter,. Von 1878 an ernannte man im deutschen Reiche Inspektoren
zur Überwachung der Fabrikräume, führte Einigungsämter zur
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit—
nehmern ein und beschränkte die Kinder- Frauen- und die
Sonntkagsarbeit. Als im selben Jahre das deutsche Volk in der
Freude über die Rettung des geliebten Kaisers, dessen Leben von
frevelhafter Hand zweimal bedroht worden war, die sogenannte
„Wilhelmspende“ im Betrage von 1800000 Mark sammelte,
bildete diese auf besonderen Wunsch des edlen Fürsten den Grund—
stock zu einer Altersversorgung für Arbeiter. In der denkwürdigen
Botschaft, mit der der Kaiser am 17. November 1881 den Reichs—
tag eröffnete, trat er für die Sicherung des Arbeiters gegen Not
bei Erkrankung und Unglücksfällen, wie auch für dessen Ver—
sorgung im Alter mit warmem Herzen ein. Bald gelang es der
Regierung, mit dem Reichstage die Einrichtung einer Versicherung
der Arbeiter gegen Not durch Krankheit oder Unglücksfälle zů
vereinbaren, und so kam im Jahre 1883 das „Arbeiter—
Krankenversicherungsgesetz“ und 1884 das „Arbeiter—
Unfallversicherungsgesetz“ zustande. Von nun an wurde
auch die Versorgung der Arbeiler in den Tagen des Alters an—
gestrebt. Zwar erlebte Kaiser Wilhelm noch die Vollendung der
erforderlichen schwierigen Vorarbeiten, aber das von ihm angeregte
„Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz“ konnte
erst unter seinem Enkel vom 1. Januar 1891 an in Kraft treten.
Es war dem Kaiser vergönnt, sein 90. Lebensjahr in voller
Gesundheit anzutreten; bis zum letzten Alemzuge zeigte er eine
solche Gewissenhaftigkeit in Erfüllung seiner Pflichten, daß er jeder—
mann als Vorbild dienen kann. Ich habe nicht Zeit, müde zu