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10. Abendgebet.
Alüde bin ich, geh' zur Ruh',
schließe meine Äuglein zu.
Vater, laß die Augen dein
über meinem Bette sein!
2. Hab' ich Unrecht heut' getan,
sieh es, lieber Gott, nicht an!
Deine Gnad' und Christi Blut
macht ja allen Schaden gut!
3. Alle, die mir sind verwandt,
Herr, laß ruh'n in deiner Hand.
Alle Menschen, groß und klein,
sollen dir befohlen sein. Amen!
Luise Mensel.
11. Das betende Kind.
1. Eine arme Witwe sprach eines Morgens zu ihren Kinder»:
„Meine lieben Kinder, ich kann euch diesen Morgen nichts zu essen
geben. Ich habe kein Brot, kein Mehl, keine Kartoffeln mehr irrt
Hause und auch kein Geld, etwas zu kaufen. Ich habe immer so viel
zu schaffen mit euch, daß ich fast nichts verdienen kann. Bittet doch
den lieben Gott, daß er uns helfe; denn er ist ja reich und mächtig
und sagt selbst: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und
du sollst mich preisen."
2. Der kleine Christian, der kaum sechs Jahre alt war, machte
sich nüchtern und sehr betrübt auf den Weg in die Schule. Cr kam
an der offenen Kirchentür vorbei, ging hinein und kniete vor dem
Altare nieder. Da er niemand in der Kirche sah, so betete er mit
lauter Stimme: „Lieber Vater im Himmel! Wir Kinder haben
nichts mehr zu essen. Unsere Mutter hat kein Brot, kein Mehl und
keine Kartoffeln mehr. Gib uns doch etwas zu essen, damit wir
nicht mit unserer Mutter verhungern müssen. Ach ja, hilf uns; du
bist ja reich und mächtig und kannst uns leicht helfen."
3. So betete Christian und ging dann in die Schule. Als er
nach Hause kam, sah er auf dem Tische ein großes Brot, eine Schüssel
voll Mehl und einen Korb mit Kartoffeln. „Nun Gott sei Dank!"
rief er voll Freude, „Gott hat mein Gebet erhört. Mutter, hat ein