Full text: [Bd. 2, [Schülerband]] (Bd. 2, [Schülerband])

104 
sind die Reichsinsignien und es umgibt uns aller Glanz des König¬ 
tums. Aber eines fehlte uns; das ist das Glück und das, mein 
Bruder, das steht auf seiten Heinrichs. Die Zukunft gehört dem 
Sachsen. Darum bitte ich dich, nimm die königlichen Abzeichen, 
die goldenen Spangen mit dem Königsmantel und die Krone unserer 
alten Könige, gehe hin zu Heinrich, mache deinen Frieden mit ihm, 
daß nicht das ganze Volk der Franken von seinem Schwerte falle.“ 
So sprach der sterbende König und Eberhard konnte den Tränen 
nicht gebieten. Er versprach zu tun, wie ihm der Bruder 
geboten hatte. 
Bald darauf starb König Konrad, am 23. Dezember 918. 
Manche haben geirrt gleich ihm, aber wenige eine Todesstunde 
gehabt wie die seine, wo der Schleier sich plötzlich hebt, die lange 
Täuschung schwindet und der entwölkte Blick prophetisch in die 
Zukunft dringt. Wenige haben in den letzten Stunden so offen 
den Irrtum ihres Daseins gestanden und noch sterbend das Recht 
des Gegners voll Selbstverleugnung anerkannt. ,,So sehr,“ sagt 
ein alter Chronist, „lag ihm das Wohl des Vaterlandes am Herzen, 
daß er selbst durch Erhebung seines Feindes — eine seltene 
Tugend — es zu fördern suchte.“ 
Nach W. Giesebrecht. 
79. Die Ungarn am Chiemsee. 
A. • 
Im Beginn des zehnten Jahrhunderts kam's einmal, wie wenn 
nach schwülbrennendem Sommermittag am Himmelsrand eine schwarze 
Wolkenbank herausrückt. Nur drohte es nicht gleich den meisten Un¬ 
wettern aus Westen, sondern vom Osten, doch aus der Ferne schon 
warnendes Gefunkel und Gedröhn voraussendend, ehe der Stimm ver¬ 
heerend hereinbrach. Flüchtlinge irrten schreiend und jammernd ihm 
vorauf und rissen die Landbewohner desChiemgaues in panischer Angst 
mit sich westwärts davon. So wälzte es sich gleich zusammengedrängt 
fliehenden Tierrudeln über den Inn. 
Ähnlicher aber noch als einer Wetterwolke war das anstürmende 
Unheil einem sonnenverdunkelnden Schwarm von Heuschrecken. Wie ein 
solcher kam's daher, zu Huuderttausenden, Verwüstung hinter sich lassend 
gleich jenen. Eine ungeheure, wilde Raubmasse war es, die Magyaren;
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.