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168. Hohe Vaterlandsliebe.
stürzt. So fällt er mit seiner ganzen Rüstung in den Strom hinab.
Aber mutig schwimmt er zu den Seinen hinüber, die ihn frohlockend
empfangen. Die feindlichen Wurfspieße hatten ihn nicht verletzt.
2. Mucius Scävola.
Konnte nun auch der feindliche König nicht in die Stadt selber
kommen, so hielt er doch alle Zugänge besetzt und drohte das ge¬
ängstigt Rom auszuhungern. Da entschloß sich ein edler Jüngling,
Mucius, zu einer kühnen That, um die Feinde in Schrecken zu
setzen. Er ging allein in das Lager der Feinde, mit einem Dolche
unter dem Mantel. Unangefochten kam er vor das königliche Zelt,
wo eben den Kriegsleuten der Sold ausgezahlt wurde. Mucius,
welcher den König nicht kannte, stürzte auf den los, an welchen
sich die meisten Soldaten wandten, und erdolchte den Schreiber
des Königs. Sogleich ergriffen die Soldaten den Unbekannten, ent¬
waffneten ihn und führten ihn vor den König Porsena. Furchtlos
sprach der kühne Jüngling: „Mein Name ist Mucius; ich bin ein
römischer Bürger und wollte den Feind meines Vaterlandes er¬
morden. Da ich mich getäuscht habe, will ich dir gestehen, daß ich
nicht der einzige bin, welcher dir nach dem Leben strebt.“ Der
König erschrak und drohte, ihn verbrennen zu lassen, wenn er nicht
die ganze Verschwörung entdecken würde. Der römische Jüngling
aber sprach kein Wort mehr, sondern entblößte seinen rechten
Arm, ging an ein dastehendes Kohlenbecken und hielt mit unver¬
ändertem Angesichte seine Hand in die Glut und ließ sie darin
langsam verbrennen. Da ergriff Staunen und Entsetzen die Um¬
stehenden, und der König rief: „Geh, geh ungestraft! Du hast
feindlicher an dir als an mir gehandelt. Ich wollte, daß solche
Tapferkeit auch für mich stritte!“
Es war dem König angst geworden vor solchen Männern, und
er bot nun selber den Römern die Hand zum Frieden. Rom musste
Geiseln stellen und einige früher von den Etruskern eroberte Land¬
striche zurückgehen. Horatius Kokles und Mucius wurden vom
Volke hoch gepriesen und reichlich beschenkt; Mucius erhielt den
ehrenvollen Beinamen „Scävola,“ d. i. „Linkhand“, und dieser Name
erbte auf die Nachkommen fort.
3. Klölia.
Unter den römischen Geiseln, die nach dem Etruskerlande ab¬
geführt wurden, befand sich auch eine edle Jungfrau, Klölia mit
Namen. Gleich in der ersten Nacht überlistete sie ihre Wächter,