57. 3n der frühe. von edward msrike.
Gedichte. 16. Auflage. Leipzig 1902. 8. 31.
Kein Schlaf noch kühlt das Auge mir,
Dort gehet schon der Tag Herfür
An meinem Kammerfenster.
Es wühlet mein verstörter Sinn
Noch zwischen Zweifeln her und hin
Und schaffet Nachtgespenster.
Ängste, quäle
Dich nicht länger, meine Seele!
Freu' dich! Schon sind da und dorten
Morgenglocken wach geworden.
Mel.: Wie schön lcucht't uns der Morgenstern.
58. MenältUle. Von Gottfried Kinkel.
Gedichte. 6. Auflage. Stuttgart u. Augsburg 1857. 8. 184.
1. Nun hat am klaren Frühlingstage
Das Leben reich sich ausgeblüht;
Gleich einer ausgeklungnen Sage
Im West das Abendrot verglüht.
Des Vogels Haupt ruht unterm Flügel,
Kein Rauschen tönt, kein Klang und Wort,
Der Landmann führt das Roß am Zügel,
Und alles ruht an seinem Ort.
2. Nur fern im Strome noch Bewegung,
Der weit durchs Tal die Fluten rollt:
Es quillt vom Grunde leise Regung,
Und Silber säumt sein flüssig Gold.
Dort auf dem Strom noch ziehen leise
Die Schiffe zum bekannten Port,
Geführt vom Fluß im sichern Gleise —
Sie kommen auch an ihren Ort.
3- Hoch oben abrr eine Wolke
Von Wandervögeln rauscht dahin;
Ein Führer streicht voran dem Volke
Mit Kraft und landeskund'gem Sinn.
Sie kehren aus dem schönen Süden
Mit junger Lust zum hcim'schen Nord,
Nichts mag den sichern Flug ermüden —
Sie kommen auch an ihren Ort!