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Versand. Heutzutage trittst man echtes Münchener Bier nicht nur in allen
besseren Wirtschaften von ganz Deutschland, sondern ebenso in den großen
Gastwirtschaften fast aller Städte des Auslandes. Der Name „Bock" für
ein zu gewissen Zeiten und besonders kräftig gebrautes Münchener Bier
ist heute dem Franzosen ebenso geläufig wie dem Engländer. Die Her¬
stellung des Bieres hat in der Stadt einen Brauereibetrieb von staunens¬
wertem Umfange hervorgerufen, der Millionen in Umlauf setzt und seiner¬
seits wieder die Landwirtschaft dadurch beeinflußt, daß er einen großartigen
Anbau von Gerste und Hopfen bedingt. Wer sich dem Hauptbahnhofe von
München nähert und die Güterbahnhöfe im Zuge durcheilt, erkennt schon
an der großen Zahl der Eisenbahnwagen zum Versande des Bieres die
Ausdehnung dieses Gewerbes und Betriebes.
Die meisten Brauereien lieget: gegenwärtig außerhalb der Stadt. Mit
ihnen sind gewöhnlich Gartenwirtschaften verbunden, zu denen sich an
schönen Tagen, besonders Somttags nachmittags, Scharen von Spazier¬
gängern aus der Stadt aufmachen. Am Eingänge sitzen Rettichverküufe-
rinnen; Kellnerinnen mit gefüllten, schäumenden Maßkrügen eilen hin und
her; für die hungrigen Gäste gibt es als leckere Speise Sauerkraut und frische
Bratwürste. Orgeldreher uttd Musikbanden finden sich ein mtd lassen,
ihre muntern Weisen erschallen, und das Schwatzen und Lärmen, Lachen
und Singen der zahllosen fröhlichen Menschen schallt lustig unter den Bäumen,
die den weiten Raum voller Tische und Stühle beschatten.
Aber auch in der Stadt selbst hat jede Brauerei ihren eigenen Aus¬
schank, von denen sich manche eines großen Rufes erfreuen und, wie z. B.
das Hofbrüuhaus, mit Recht als Sehenswürdigkeiten gelten. Auch hier
drängen sich des Abettds bis in die Nacht hinein die Menschen, und ein
lautes und urwüchsiges Leben erfüllt diese Räume. Jeder ist froh, weun
er an einem der dichtbesetzten Tische noch ein bescheidenes Plätzchen
gefunden hat. Dort leert er seinen Krtlg in aller Gemütlichkeit, und
mancher verspeist dazu noch ein Stück Käse oder Wurst mit Brot, das er
sich selbst mitgebracht hat. Noch bunter und fesselnder ist das Treiben
an Festtagen auf der Theresienwiese, ein rechtes Bild süddeutschen Volks¬
lebens uttd Frohsinns. Dann schallt ein Musizieren, Lärmen und Stimmen-
gewirr über den weitet: Platz mit den Buden und Gezeltet:. Still mtd
friedlich schaut nur das riesengroße, ehertte Standbild der Bavaria, das
vor der Ruhmeshalle steht, auf die wogettde Menge herab. Wer aber im
Inneren der Riesenfigur auf duukeln Stiegen emporgeklettert ist, sann
droben int Kopfe durch die Augenhöhlen des ungehettern Stattdbildes
auf den bewegtet: Platz, die ganze Stadt und auf das weite Land bis zu
den Schneegipfelt: der Alpen sehett.
Karl .ftottbrtd). (Hirts Deutsches Lesebuch, Ausg. A.)
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