Full text: [Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband]] (Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband])

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VII. Römische Sagen. 
neue Heimat zu suchen. Er kam nach Latium in Italien, schloß Freund¬ 
schaft mit dem dort herrschenden König Latinus und heiratete dessen 
Tochter Lavinia. Sein Sohn Askanius gründete nach des Vaters Tod 
Albalonga, und dies sollte die Mutter der Stadt werden, welche die 
berühmteste des ganzen Erdkreises geworden ist, die Mutter der Welt- 
beherrscherin Rom. 
Ein König aus dem Geschlechte des Zulus (oder Askanius) hinter¬ 
ließ zwei Söhne, Numitor und Amulius. Dieser stürzte seinen älteren 
Bruder vom Thron, tötete dessen Sohn und machte seine Tochter Rhea 
Silvia zur Vestalin, d. h. zur Priesterin der Göttin Vesta. Diese gebar 
dem Kriegsgotte Mars Zwillingsknaben, und der grausame Oheim ließ 
sie auf den Tiber aussetzen. Das schwanke, kleine Fahrzeug mit den 
Buben blieb an der Wurzel eines wilden Feigenbaumes hängen. Da 
zog das Wimmern der Knaben eine Wölfin herbei, die vom nahen 
Gebirge kam, um zu trinken. Mit mütterlicher Zärtlichkeit beleckte fie 
die Kleinen und reichte ihnen ihre Brüste dar. So fand sie Faustulus, 
der Oberhirt der königlichen Äerden, nahm die Kinder mit zu den 
Standhütten der Äirten und übergab sie seiner Frau Acca Larentia. 
Er nannte sie Romulus und Remus und erzog sie als Hirten¬ 
knaben. Sobald sie heranwuchsen, durchstreiften sie die umliegenden 
Wälder mit dem Bogen und dem Iagdspieß, ohne darum aus der 
Viehweide lässig zu sein, hierdurch an Kraft und Mut gestählt, 
wagten sie sich bald nicht bloß an wilde Tiere, sondern überfielen 
auch mit Beute beladene Straßenräuber, teilten den Raub unter ihre 
Genossen aus und ^wurden so Führer einer mutigen Schar von Jüng¬ 
lingen. 
Ein Zufall machte nach einiger Zeit diesem Leben auf der Weide 
und im Walde ein Ende. Die Beraubten nämlich ersahen sich den 
Zeitpunkt, wo die Äirten, an ihrer Spitze die beiden Brüder, ein Fest 
feierten, zu einen: plötzlichen Überfalle, um den Verlust ihrer Beute zu 
rächen. Romulus erwehrte sich ihrer mannhaft; den Remus aber nahmen 
sie gefangen und stellten ihn unter der Beschuldigung, daß er auf Nu- 
mitors Besitzungen Plünderungen begangen habe, vor den König Amu¬ 
lius. Dieser lieferte ihn zur Einrichtung an Numitor ab. Niemand 
hegte bei diesem Vorgänge größere Besorgnis als Faustulus, der 
Pflegevater der beiden Jünglinge. Gleich von dem Tage an, wo er 
die Zwillinge gefunden, hatte er die Vermutung genährt, daß seine Zög¬ 
linge königlicher Abkunft seien. Denn er wußte, daß auf königlichen 
Befehl Zwillinge ausgesetzt waren, und die Zeit, in der er die Kinder 
zu sich genommen hatte, traf genau mit der- Zeit der Aussetzung über¬
	        
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