Full text: [Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband]] (Abt. 2 = Für Quinta, [Schülerband])

12 
II. Märchen. 
rüttelte dich und warf dich nieder? Lat der Schwindel dir nicht den 
Kopf betäubt? Zwickte dich nicht die Gicht in allen Gliedern? Brauste 
dir's nicht in den Ohren? Nagte nicht der Zahnschmerz in deinen 
Backen? Ward dir's nicht dunkel vor den Augen? Aber das alles, 
hat nicht mein leiblicher Bruder, der Schlaf, dich jeden Abend an mich 
erinnert? Lagst du nicht in der Nacht, als wärst du schon gestorben?" 
Der Mensch wußte nichts zu erwidern, ergab sich in sein Geschick und 
ging mit dem Tode fort. 
14. Der singende Knochen. 
Von den Brüdern Grimm. 
Es war einmal in einem Lande große Klage über ein Wildschwein, 
das den Bauern die Äcker umwühlte, das Vieh tötete und den Men¬ 
schen mit seinen Lauern den Leib aufriß. Der König versprach einem 
jeden, der das Land von dieser Plage befreien würde, eine große Be¬ 
lohnung; aber das Tier war so groß und stark, daß sich niemand in 
die Nähe des Waldes wagte, worin es hauste. Endlich ließ der König 
bekanntmachen: Wer das Schwein einfange oder töte, solle seine einzige 
Tochter zur Gemahlin haben. 
Nun lebten zwei Brüder in dem Lande, Söhne eines armen 
Mannes, die meldeten sich und wollten das Wagnis übernehmen. Der 
älteste, der listig und klug war, tat es aus Lochmut, der jüngste, der 
unschuldig und dumm war, aus gutem Lerzen. Der König sagte: „Damit 
ihr desto sicherer das Tier findet, so sollt ihr von entgegengesetzten 
Seiten in den Wald gehen." Da ging der älteste von Abend und der 
jüngste von Morgen hinein. And als der jüngste ein Weilchen gegangen 
war, so trat ein kleines Männlein zu ihm, das hielt einen schwarzen 
Spieß in der Land und sagte: „Diesen Spieß gebe ich dir, weil dein 
Lerz unschuldig und gut ist: damit kannst du getrost auf das wilde 
Schwein eingehen, es wird dir keinen Schaden zufügen." Er dankte 
dem Männlein, nahm den Spieß auf die Schulter und ging ohne Furcht 
weiter. Nicht lange, so erblickte er das Tier, das auf ihn losrannte; 
er hielt ihm aber den Spieß entgegen, und in seiner blinden Wut 
rannte es so gewaltig hinein, daß ihm das Lerz entzwei geschnitten 
ward. Da nahm er das Angetüm auf die Schulter, ging heimwärts 
und wollte es dem Könige bringen. 
Als er aus der anderen Seite des Waldes herauskam, stand da 
am Eingang ein Laus, wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig 
machten. Sein ältester Bruder war da eingetreten und hatte gedacht,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.