Sohne sein Land mit allen seinen Burgen. Dieser hatte nun die Wild¬
heit seiner Jugend abgelegt und wurde ein edler Held, dessen Ruhm
durch alle Lande erscholl.
Kriemhild. In dem Lande der Burgunden, zu Worms am
Rhein, wuchs eine Königstochter auf, mit Namen Kriemhild. Sie
war nicht allein schön, sondern auch wegen ihrer Tugenden bei allen
Frauen beliebt. Sie wohnte bei ihren Brüdern Günther, Gernot
und Giselher, den Königen von Burgund, mit ihrer Mutter Ute.
Kriemhild hatte einst einen merkwürdigen Traum. Sie träumte nämlich,
sie hätte einen großen, schönen Falken aufgezogen, den ergriffen zwei
Adler und zerrissen ihn. Als sie diesen Traum ihrer Mutter erzählte,
sagte diese: „Der Falke ist ein edler Mann; wenn ihn Gott nicht be¬
hütet, so wird er sterben, und du wirst viel Leid durch seinen Tod
erfahren."
Nun hörte aber Siegfried von der schönen Kriemhild, und er
beschloß, nach Worms zu ziehen und um sie zu werben, damit sie sein
Weib werde. Ungern hörte das seine Mutter Sieglinde, als aber
der Sohn darauf bestand, gab sie nach und ließ für ihn und seine zwölf
Ritter schönes Gewand bereiten. An goldenen Zäumen führten sie die
Rosse; die Enden der Schwerter hingen bis zu den Sporen nieder,
scharfe Speere hielten sie in der Hand, mit blitzenden Helmen und
Panzern waren sie angetan. So ausgestaltet kamen sie nach Worms.
Als sie an einem schönen Frühlingsmorgen in die Stadt ein-
ritten, war alles erstaunt über die stattlichen Ritter, aber niemand
kannte sie. Auch König Günther, der sie auf dem Schloßhofe sah,
fragte sein Gefolge, wer sie sein möchten; keiner konnte ihm jedoch
Bescheid geben. Da ließ er einen seiner tapfersten Helden rufen, den
grimmen Hagen, dem alle Lande kund waren, und fragte ihn nach
den Fremden. Dieser trat an das Fenster und musterte die Gäste in
den schönen Gewändern, dann sagte er: „Woher sie auch immer ge¬
kommen sein mögen, es sind Recken von hohem Mute. Ich habe den
Helden Siegfried nie gesehen, aber ich glaube, daß er es ist, der dort
so herrlich einherschreitet. Ist er es, so nehmt ihn wohl auf, daß wir
uns seinen Zorn nicht verdienen." Günther tat, wie Hagen ihm geraten;
er hieß Siegfried willkommen in seinem Lande und ließ ihm gute
Herberge anweisen. Siegfried lebte nun am Königshofe zu Worms,
übte mit den Burgunden ritterliche Spiele und zeigte seine gewaltige
Kraft, so daß alle ihn als ihren Meister anerkannten. Er half ihnen
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