Full text: Klasse 7 (viertes Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

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Die Vögel wollten sich nun über die Sache besprechen, und an 
einein schönen Maimorgen kamen sie alle aus Wäldern und Feldern 
zusammen, Adler und Buchfinke, Eule und Krähe, Lerche und Sperling, 
was soll ich sie alle nennen? Selbst der Kuckuck kam und der Wiedehopf, 
sein Küster; der so heißt, weil er sich immer ein paar Tage früher 
hören läßt; auch ein ganz kleiner Vogel, der noch keinen Namen hatte, 
mischte sich unter die Schar. Das Huhn, das zufällig von der ganzen 
Sache nichts gehört hatte, verwunderte sich über die große Versamm¬ 
lung. „Wat, wat, wat is denn dar Io don?" gackerte es, aber der Hahn 
beruhigte seine liebe Henne und sagte: „Luter riek Lüd," erzählte ihr 
auch, was sie vorhätten. Es ward aber beschlossen, daß der König sein 
sollte, der am höchsten fliegen könnte. Ein Laubfrosch, der im Ge¬ 
büsche saß, rief, als er das hörte, warnend: „Natt, natt, natt! Natt, 
natt, natt!" weil er meinte, es würden deshalb viel Tränen vergossen 
werden. Die Krähe aber sagte: „Quark ok!", es sollte alles friedlich 
abgehen. 
Es ward nun beschlossen, sie wollten gleich an diesem schönen Mor¬ 
gen aufsteigen, damit niemand hinterher sagen könnte: „Ich wäre wohl 
noch höher geflogen, aber der Abend kam, da konnte ich nicht mehr." 
Auf ein gegebenes Zeichen erhob sich also die ganze Schar in die Lüfte. 
Der Staub stieg da von dem Felde auf, es war ein gewaltiges Sausen 
und Brausen und Fittichschlagen, und es sah aus, als wenn eine schwarze 
Wolke dahinzöge. Die kleinern Vögel aber blieben bald zurück, konnten 
nicht weiter und fielen wieder auf die Erde. Die größern hielten's 
länger aus, aber keiner konnte es dem Adler gleich tun, der stieg so hoch, 
daß er der Sonne hätte die Augen aushacken können. Und als er sah, 
daß die andern nicht zu ihm herauf konnten, so dachte er: „Was willst 
du noch höher fliegen, du bist doch der König," und er fing an sich 
wieder herabzulassen. Die Vögel unter ihm riefen ihm alle gleich zu: 
„Du mußt unser König sein, keiner ist höher geflogen als du." „Aus¬ 
genommen ich," schrie der kleine Kerl ohne Namen, der sich in die 
Brustfedern des Adlers verkrochen hatte. Und da er nicht müde war, 
so stieg er auf und stieg so hoch, daß er Gott auf seinem Stuhle konnte 
sitzen sehen. Als er aber so weit gekommen war, legte er seine Flügel 
zusammen, sank herab und rief unten mit feiner, durchdringender Stimme: 
„König bün.ick! König bün ick!" 
„Du unser König?" schrien die Vögel zornig, „durch Ränke und 
Listen hast du es dahin gebracht." Sie machten eine andere Bedingung,
	        
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