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diesen Hof, selbst im hohen Sommer, in einen kühlen und reizenden
Salon, in welchem Sofa, Stühle, Gemälde und Spiegel nicht fehlen.
Der Fremde wird im Vorhofe abgefertigt und nur der Gastfreund
in das Innere gelassen. Freilich gehört ein solcher stets heiterer
Himmel dazu, aber dann kann man auch nicht lieblicher wohnen
als in diesem Raume, der Hof, Garten und Wohnzimmer zugleich ist.
Noch muß ich der Giralda erwähnen, des schönsten Turmes
in der Welt. Er ist viereckig und war oben flach und zu astro¬
nomischen Beobachtungen eingerichtet. Wie der Markusturm in
Venedig hat auch dieser keine Stufen, sondern man geht auf einer
geneigten Ebene gemächlich innerhalb der dicken Mauern bis auf
die Plattform. Der Markusturm scheint mir überhaupt eine Nach¬
bildung der Giralda; er ist noch riesenhafter, aber lange nicht so
schön. Der Blick über Venedig, die Lagunen, das Adriatische Meer
und die Alpen ist freilich noch viel reicher als der über Sevilla und
die weite Ebene, die es umgibt.
Weltberühmt ist noch die Kathedrale von Sevilla. Früher stand
unweit des geschilderten Turmes eine prachtvolle Moschee. Man riß
sie ein, und die Erzbischöfe von Sevilla erbauten den gewaltigen
Dom. Er bildet eine Basilika von fünf Schiffen, von denen das
mittlere, höhere, von oben beleuchtet wird. Es ist aber doch ge¬
waltig finster, und der innere Raum durch Kapellen, Altäre und
Denkmäler verengt. Das Ganze hat mir keinen sehr großen Eindruck
gemacht.
Ausgezeichnet schön sind die betürmten Mauern von Sevilla
und ihre Tore. Doch ich sehe, daß ich vom Erzählen ins Beschreiben
gefallen bin. Aber Sevilla ist schön und so ganz anders als alles
was ich bisher gesehen, daß ich nicht kürzer machen konnte. Die
Spanier sagen: „Wer Sevilla nicht gesehen, hat kein Wunder
gesehen!"
158. Von Moritz Graf von Strachwitz.
1. Sie Hat den ganzen Tag getobt
als wie in Zorn und Pein,
nun bettet sich, nun glättet, sich
die See und schlummert ein.
2. Und drüber zittert der Abendwind,
ein mildes, Heiliges Wehn;