Full text: [Teil 3 = Kl. 7, [Schülerband]] (Teil 3 = Kl. 7, [Schülerband])

gehen in den wilden Wald und ein Einsiedler werden; da werd' ich 
keinen mehr hören und sehen und werde mich nicht mehr erzürnen." 
So geht er fort in den Wald, sucht sich einen Ort, wo ein Brunnen 
vom Felsen herabrinnt, und will sich da eine Hütte bauen. Über der 
Arbeit wird's ihm warm, und er trägt seinen Krug zum Brunnen und 
stellt ihn unter, daß er voll werde; der Krug aber fällt um, und er 
muß ihn zum zweitenmal unterstellen. Nach einer Weile fällt der Krug 
abermals, und der Einsiedler, statt ihn wieder aufzustellen, wird so 
zornig, daß er ihn nimmt und am Felsen in tausend Stücke zerschlägt. 
Als er nun den Henkel in der Hand hat und die Scherben am 
Boden liegen sieht, kommt er auf einmal wieder zu sich, erschrickt und 
spricht zu sich selbst: „O, ich Tor, ich dachte, daß der Zorn in mich 
hineinkommt, nun sehe ich, daß er aus mir herauskommt, drum will ich 
kein Einsiedler mehr sein, sondern wieder zu meinen Brüdern gehen, 
daß sie mir guten Rat geben und mir beten helfen, mein eigen Herz 
zu bessern!" 
18. Vas palengelckenk. von Karl yeneu 
Musterprosa. 2. Teil. 2. Auslage. Bonn 1897. 8. 157. 
3n Würzburg hat einmal ein reicher und vornehmer Mann den Fürst¬ 
bischof Julius gebeten, daß er ihm sein Söhnlein aus der Taufe 
heben möchte. Der Bischof, der ein wohlwollender Herr war und dem 
vornehmen Manne sehr gewogen, nahm die Patenstelle an und erschien 
auch zum Kindtaufsschmaus. Da ging es hoch her: die Tische krachten 
und bogen sich, so viel Gebratenes und Gebackenes stand drauf in 
silbernen Schüsseln, und der köstlichste Frankenwein floß in Strömen. 
Der vornehme Vater des Täuflings war aber nicht gleichermaßen 
vornehm von Gesinnung, gedachte vielmehr eine Wurst nach der Speck¬ 
seite zu werfen, wie man zu sagen pflegt, wenn einer einem etwas 
schenkt oder eine Artigkeit erweist nicht aus Freundschaft, sondern um 
etwas Wertvolleres dafür wiederzubekommen. Der hochwürdige Herr 
Gevatter schenkte aber vorläufig noch nichts, jedoch sagte er beim Ab¬ 
schied: „Morgen soll auch der kleine Julius sein Patengeschenk haben!" 
So sah denn der Kindtaufsvater andern Tags fleißig zum Fenster 
hinaus und wartete, ob er nicht einen betreßten Diener kommen sähe mit 
etwas auf dem Arm oder vielleicht gar einen wohlbepackten Wagen. 
Endlich erschien denn auch ein Bote vom Bischof, aber er hatte nur ein 
kleines Henkelkörbchen am Arme, das stellte er auf den Tisch und sagte: 
„Eine Empfehlung von Seiner Fürstbischöflichen Gnaden, und hier wäre 
das Patengeschenk!" — Und damit war der Diener auch schon fort und 
zur Tür draus. 1 Wie man aber den Deckel aufhob, da waren lauter 
ausgesuchte, köstliche Trauben drin. Da nahm der Gevatter ohne Um-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.