242 103. Ein Tag ans der Hochebene von Peru.
So dachte ich und glaubte allein als menschliches Wesen aus
diesen schauerlich öden Höhen zu atmen, als ich zu meiner Freude
zwei ärmlich gekleidete Indianer, in ihre dichten Mäntel gehüllt, traf,
die emsig den Mist des Wildes sammelten, um ihn in den nächsten
Silberschmelzöfen als ausgezeichnetes Brennmaterial zu verkaufen, in¬
des ein kleiner Junge ihre grasenden Maultiere hütete.
Die Sonne hatte schon vor zwei Stunden ihre Mittagshöhe er¬
reicht. Seit dem frühen Morgen war ich fortwährend, wenn auch
allmählich, bergan gestiegen. Mein keuchendes Maultier hatte seinen
Schritt verkürzt und von Zeit zu Zeit angehalten, und es schien mit
Widerwillen eine Höhe zu besteigen, die auf meinem Wege lag. Ich
stieg ab, um mein armes fleißiges Tier zu erleichtern und meine
Glieder, die seit der Frühe nicht aus dem Sattel gekommen waren,
etwas in Bewegung zu bringen. Rüstig stieg ich bergan, doch begann
ich auch alsobald den verderblichen Einfluß des verminderten Luft¬
druckes in diesen Höhen zu fühlen, und bei jedem Schritte ergriff mich
ein früher nie empfundenes Unbehagen. Ich mußte stille stehen, um
Luft zu schöpfen, aber ich fand sie kaum; ich versuchte zu gehen, aber
eine unbeschreibliche Angst bemächtigte sich meiner, hörbar klopfte das
Herz gegen die Rippen, der Atem war kurz und abgebrochen, eine
Welt lag mir auf der Brust, die Lippeu wurden blau, aufgedunsen
und barsten; die seinen, ausgeschwollenen Adern der Augenlider rissen,
und tropfenweise drang das Blut heraus. In gleichem Maße ver¬
minderten sich die Sinnesthätigkeiten: ich sah, hörte und fühlte nichts
mehr, ein dunkelgrauer Nebel schwamm vor meinen Augen, oft tief
gerötet, bis ihnen eine blutige Thräne entquoll. Mein Kopf schwindelte,
die Sinne schwanden, und zitternd mußte ich mich auf die Erde nieder¬
legen. In halb besinnungslosen: Zustande hatte ich eine Zeitlang
auf der Erde gelegen, als ich so weit gekräftigt war, um mit Mühe
mein Tier besteigen zu können; denn ich mußte fort. Schwarze, ge¬
witterschwere Wolken hatten sich am Horizonte gehäuft, zahllose Blitze
leuchteten auf ihrem dunkeln Grunde, und der näher kommende
Donner drohte dem Obdachlosen mit einem fürchterlichen Naturschau¬
spiele. Aber das Hochgewitter lagerte sich schwer um die metallreichen
Berggipfel, und nur das leichte Gewölk jagte mir entgegen; bald
löste es sich in ein orkanisches Schneegestöber auf, das der eisige Wind
mir ins Gesicht peitschte und mir jeden Augenblick den Atem abzu¬
schneiden drohte. In weniger als einer halben Stunde war die ganze
Gegend fußhoch mit Schnee bedeckt; Sumpf und Hügel, Thol und
Felsenabhang erschienen nur als eine Fläche, jede Spur des Weges
war verschwunden, und meine Lage verschlimmerte sich jeden Augenblick.
Hätte ich damals diese Hochebene so genau gekannt wie nachher, ich
würde meinen Weg nach dem Fluge der Vögel gerichtet haben; aber
unglücklicherweise verfolgte ich die frische Fährte eines Rudels Wildes,