Full text: Für die unteren Klassen (Bd. 1, [Schülerband])

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zuschlagen. Der Leutnant geriet abseits, und flugs waren etliche 
feindliche Reiter an ihm. Er focht im Einzelkampfe gegen sie, bald 
an ihnen vorbeijagend, bald um sich hauend. Aber sein Arm wurde 
müde, sein Auge umdunkelte sich, er befahl Gott seine Seele, nahm 
Abschied im Geist von den Eltern und dem väterlichen Schloß mit 
seinen grünen Bäumen. — — da, im Augenblick der höchsten Not, 
wo die Feinde schon dicht hinter ihm sind, saust ein preußischer Reiter 
heran, daß der Boden dröhnt. Hinter einer Mauer hatte er sich bei 
dem Rückzug verdeckt gehalten und wollte die Rückkehr der Franzosen 
abwarten, da hört er Schwerter klirren. Er sieht den Leutnant um¬ 
ringt, in Todesnot, gibt seinem Pferde die Sporen, setzt über den 
Graben und ist den feindlichen Reitern am Wamse. Den einen haut 
er herunter zur Rechten, den andern zur Linken über das Gesicht, daß 
ihm das Sehen verging, — die andern machten Kehrt. 
Der Leutnant fühlt freie Luft hinter sich, — wer mag der rettende 
Engel sein? Er bringt sein schäumendes Roß zum Stehen, und hinter 
ihm hält — sein dummer Rekrut, der freudestrahlend ihm entgegen¬ 
ruft: „Herr Leutnant, hab' ich's nun recht gemacht?" Der 
Leutnant will eben anheben zum Lobe, das zum erstenmal von seinen 
Lippen kommen soll. aber noch ehe er ein Wörtlein gesagt, da pfeift 
es aus dem nahen Gebüsch, und den treuen Westfalen trifft die töd¬ 
liche Kugel durch den Helm mitten in die Stirn, daß er lautlos vom 
Pferde sinkt. — 
Das war das Werk eines Augenblicks. Weinend wirft sich der 
Leutnant über den Gefallenen und ruft ihm in die Ohren: „Ja, ja, 
treue Seele, das hast du recht gemacht!" Der hörte es freilich 
nicht mehr; aber das Lob ist hinaufgeklungen zum Himmel und hinein¬ 
gefallen in die Wagschale des ewigen Richters, der die Treue auf 
Erden ansieht. 
Wenige Tage darauf, als die gewaltigen Siege errungen waren, 
ward der Leutnant mit seiner Schwadron auf Patrouille geschickt. 
Sie reiten an einem Gehölz vorbei, es kracht hinter den Bäumen, — 
Franctireurs sind's, die sich im Walde versteckt halten. Der Leutnant 
sprengt mit geschwungenem Säbel in das Gehölz; aber noch ehe er 
zum Streiche ausholen kann, sinkt er, tödlich getroffen, vom Pferde. 
Wohl säubern die Kameraden das Gehölz, und keiner der Feinde 
entrinnt: aber den Gefallenen weckt niemand wieder auf: als ihren 
einzigen Toten bringen sie ihn zurück. — 
So ruhen sie denn beide — Rekrut und Leutnant — im kühlen
	        
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