Full text: Gedichtsammlung für Lehrerseminare (Teil 4, [Schülerband])

556 
Detlev von Liliencron. 
Die Sonne in sinkender Abendflul 
Umrahmt seinen Helm in Gloriaglut, 
Sein Auge tropft, seine Lippe bebt; 
Mit ihm, mit ihm hab' ich's durchgelebt." 
Sämtliche Werke, Bd. VII (Kampf und Spiele), S. 60 f. 
342. Trutz, Blanke Hans. 
1. Heut bin ich über Rungholt gefahren, 
Die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren. 
Noch schlagen die Wellen da wild und empört 
Wie damals, als sie die Marschen zerstört. 
„ Die Maschine des Dampfers schüttelte, stöhnte, 
Aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte: 
Trutz, Blanke Hans. 
2. Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden, 
Liegen die friesischen Inseln im Frieden. 
Und Zeugen weltenvernichtender Wut, 
Taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut. 
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten, 
Der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten. 
Trutz, Blanke Hans. 
3. Im Ozean, mitten, schläft bis zur Stunde 
Ein Ungeheuer tief auf dem Grunde. 
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand, 
Die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand. 
Es zieht sechs Stunden den Atem nach innen 
Und treibt ihn sechs Stunden wieder von hinnen. 
Trutz, Blanke Hans. 
4. Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen 
Die Kiemen gewaltige Wassermassen. 
Dann holt das Untier tiefer Atem ein 
Und peitscht die Wellen und" schläft wieder ein. 
Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken, 
Viel reiche Länder und Städte versinken. 
Trutz, Blanke Hans. 
5. Rungholl ist reich und wird immer reicher, 
Kein Korn mehr faßt selbst der grötzeste Speicher. 
Wie zur Blütezeit im alten Rom 
Staut hier täglich der Menschenstrom. 
Die Sänften tragen Syrer und Mohren 
Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren. 
Trutz, Blanke Hans.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.