Dem königlichen Freunde
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2. was du mir bist, kann staunend ich nur fassen,
wenn mir sich zeigt, was ohne dich ich war.
Wir schien kein Stern, den ich nicht sah erblassen,
Rein letztes Hoffen, dessen ich nicht bar:
Auf gutes Glück der weltgunft überlassen,
Dem wüsten Spiel auf Vorteil und Gefahr,
was in mir rang nach freien Rünstlertaten,
Sah der Gemeinheit Lose sich verraten.
3. Der einst mit frischem Grün sich hieß belauben
Den dürren Stab in seines Priesters Hand,
Ließ er mir jedes heiles Täuschung rauben,
Da auch des letzten Trostes Täuschung schwand,
Sm Inn'ren stärkt' er mir den einen Glauben,
Den an mich selbst ich in mir selber fand:
Und wahrt' ich diesem Glauben meine Treue,
Nun schmückt' er mir den dürren Stab aufs neue.
% was einsam schweigend ich im Snn'ren hegte,
Das lebte noch in eines andren Brust;
was schmerzlich tief des Mannes Geist erregte,
Erfüllt' ein Zünglingsherz mit heil'ger Lust:
was dies mit Lenzessehnsucht hinbewegte
Zum gleichen Ziel, bewußtvoll unbewußt,
wie Frühlingswonne mußt' es sich ergießen,
Dem Doppelglauben frisches Grün entsprießen.
5. Du bist der holde Lenz, der neu mich schmückte,
Der mir verjüngt der Zweig' und Äste Saft;
Ls war dein Ruf, der mich der Nacht entrückte,
Die winterlich erstarrt hielt meine Rraft.
wie mich dein hehrer Segensgruß entzückte,
Der wonnestürmisch mich dem Leid entrafft,
So wandl' ich stolzbeglückt nur neue j)fade
Zm sommerlichen Rönigreich der Gnade.
6. wie könnte nun ein Wort den Sinn dir zeigen,
Der das, was du mir bist, wohl in sich faßt?
Nenn' ich kaum, was ich bin, mein dürftig Ligen,
Bist, Rönig, du noch alles, was du haft:
So meiner Werke, meiner Taten Reigen,
Er ruht in dir zu hold beglückter Raft:
Und hast du mir die Sorge ganz entnommen,
Bin nun ich um mein Hoffen selbst gekommen.
7. So bin ich arm und nähre nur das eine,
Derr Glauben, dem der deine sich vermählt;
Lr ist die Macht, durch die ich stolz erscheine,
Lr ift's, der heilig meine Liebe stählt.
Doch nun geteilt, nur halb noch ist er meine,
Und ganz verloren mir, wenn dir er fehlt.
So gibst nur du die Rraft mir dir zu danken
Durch königlichen Glauben ohne Wanken.
An König Ludwig II.
Richard Wagner.