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290 Friedrich Hebbel.
lv. „Nun sprich, du träumtest" — „Es kam ein Mann —"
„War ich das? Sieh mich doch näher an,
Ich denke, du hast mich gesehen!
Nun weiter, wie ist es geschehen?"
18 „Er zog ein Messer!" — „War das wie dies?" —
„Ach ja, ach ja!" — „Er zog's?" — „Und stieß —"
„Er stieß dir's wohl so durch die Kehle?
Was hilft es auch, daß ich dich quäle!"
19 Und fragt ihr, wie's weiter gekommen sei?
So fragt zwei Vögel, sie saßen dabei;
„ Der Rabe verweilte gar heiter,
Die Taube konnte nicht weiter!
20. Der Rabe erzählt, was der Böse noch tat,
Und auch, wie's der Henker gerochen hat;
Die Taube erzählt, wie der Knabe
Geweint und gebetet habe.
Paris, 8. März 1844. Sämtliche Werke, Bd. VII (Gedichte, I), S. 41 ff.
202. Die junge Mutter.
i. Sie hat ein Kind geboren
Zu höchster Lust in tiefstem Leid
Und ist nun ganz verloren
In seine stumme Lieblichkeit.
2 Es blüht zwei kurze Tage,
So daß sie's eben küssen mag,
Und ohne Laut und Klage
Neigt es sein Haupt am dritten Tag.
3. Und wie es still erblaßte,
So trägt sie still den heil'gen Schmerz,
Und eh' sie's ganz noch faßte,
Daß es dahin ist, bricht ihr Herz.
4. Der mit dem Lilienstengel
Sonst tritt aus einem finstern Tor,
Er ging, der Todesengel,
Aus ihrem eignen Schoß hervor.
Hamburg, 4. April 1841. Sämtliche Werke, Bd. VII (Gedichte, I), S. 53.