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Robert Hamerling.
Das Ohr noch gellt, ein wunderbarer Ort,
Ein Ort voll still-erhabnen Eötterfriedens,
Geheimnisvoll erhellt von einer Ampel,
so5 Die von des Raumes Decke niederhängt.
Und kleinre Lichter reihn symmetrisch sich
Um eine hochgebühnte Stelle her,
Wie Sternchen schwebend in der Dunkelheit,
Verbreitend einen milden Dämmerschein,
bio Der das Gemüt mit hehrem Schauer füllt.
Die hochgebühnte Stell' ist ein Altar:
Davor ein würd'ger Greis in priesterlichem
Gewände, flüsternd, mystischen Gebrauch
Vollziehend; ringsum knieend, ernste, bleiche
5i5 Gestalten, Häupter, andachtsvoll geneigt. . .
In diesen heilig stillen Friedensraum
Tritt plötzlich jetzt der düstre Flüchtling Nero.
So mitten unter einen Taubenschwarm
Mag pfeilgetroffen aus den Lüften fallen
5so Ein Aar, ohnmächtig, doch noch Graun erweckend.
Aufblickt der Beter Schar, und von den Lippen
Bebt unwillkürlich als ein Schreckenslaut
Der Name Nero!
Finster kreist der Blick
Des Düstren rings und haftet am Altar,
525 Wo ihm sich zeigt ein wundersames Bild:
Ein edel Menschenbild, ans Kreuz geschlagen,
Mit einem Dornenkranz ums bleiche Haupt.
Und Nero denkt der Kunde, die vorlängst
Durch Tigellin ihm ward vom Gott der Christen
530 „Wenn ich das Leben liebte, müßt' ich nun
Vielleicht erzittern (spricht er bei sich selbst);
Denn wie in eine Löwenhöhle fiel
Ich unter meine schlimmsten Feinde jetzt."
Und zu den Christen kehrt er trotzend sich,
535 Die ihm mit Grausen schaun ins bleiche Antlitz:
„Ja, Nero bin ich! und in Händen habt
Den Todfeind ihr! So rächt euch, tötet ihn!
Vollzieht das Werk, — seht, meine Treuen haben
Zum Tod mir nicht einmal das Gift gelassen;
540 Der Mann ist hier zu ehrlich, mich zu töten;
Ich fürcht', er zitiert bei dem Stoß — ei, wißt,
Der Schmach entfloh ich nur, doch nicht dem Tod:
Den such' ich. Seht, ich bin's, der eure Väter,