Ernst von Wildenbruch.
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Heb dich in Stolz, du Herrliche!
Was deinem Volke du schenktest
90 Aus überquellender Mutterbrust,
Blühet in Ewigkeit fort,
Ein himmelragender Baum,
Beschattend in stolzer Lust
Der Menschen weite Geschlechter,
95 Ninimer versiegenden Markes voll,
Treibend ohn' Ende neu lebenden Keim;
Werdendem Volk pfadkündende Säule,
krankenden Völkern nie brechender Pfeiler,
Herrliches Wunder dem Menschengeschlecht."
ioo Also vernahm ich die Worte des Sturmes.
Siehe, da neigte sich scheidend die Sonne;
Tief aufatmend, zu nächtlicher Ruhe
Flossen die wogenden Glieder
Der Menschenmutter, der griechischen See.
Lieder und Balladen, S. 122 ff.
332. Jrmg-Olaf.
„Wer ist jener Mann," König Harald sprach,
„Dessen Lieder ertönen in Norwegs Land?
Es singt sie der Bauer an seinem Pflug,
Es singt sie der Schiffer am Meeresstrand.
5 Ich hörte sie manchmal in Lager und Feld,
Es sang sie der Reiter dem schnaubenden Rotz. —
Ich will ihn kennen, ich will ihn sehn,
Auf, führt den Zauberer in mein Schlotz!"
Zu Trontheim war's auf der Königsburg,
io König Harald satz auf leuchtendem Thron;
Da führten sie Zung-Olaf herein,
Den Sangeskund'gen, den Bauernsohn.
Er blickte nach rechts — er blickte nach links —
Tie Schar der Höflinge prangend stand —
i5 Und sie flüsterten rings und sie kicherten rings —
Iung-Olaf sah auf sein dürftig Gewand. —
Auf Thronesstufen dem König zur Seit', ■
Wer stand wie der Himmel in blauem Gewand?
Schön-Estrild war es, des Königs Kind,
so Schön-Estrild, die Schönste in Norwegs Land.
Ihr Leib war so schlank wie die Tanne im Forst,
Ihr Antlitz so rein wie der weitze Schnee,
Wie geflochtenes Gold, so flotz ihr das Haar,
Ihr Auge war tief wie die lichtblaue See —