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Nur die auffälligsten Formen vermögen wir bei der raschen Durchmusterung
mit der Lupe sicher zu erkennen. Nehmen wir erst das Mikroskop zur Hand und
untersuchen mit Muße zu Haus den Schlamm, die abgestorbenen Blätter und die
Pflanzen, so taucht eine neue Welt vor unsern Blicken auf. Da schwimmen
bewimperte Infusorien, in drehender Bewegung kreuz und quer das Gesichtsfeld des
Mikroskopes durchziehend, umher; an einem Wurzelfaden sitzt eine Kolonie der
reizenden Glockentierchen, deren Einzelindividuen in unablässig wechselndem Spiel
blitzartig zusammenzucken, um dann langsam wieder den korkzieherartig gewundenen
Stiel zu strecken; als mikroskopische Sonne entdecken wir zwischen Sand- und
Schlammpartikelchen ein Sonnentierchen mit seinen feinen Strahlen; schwerfällig
kriecht das niederste tierische Lebewesen, eine stattliche Amöbe, fortwährend in lang¬
samen Bewegungen die Form wechselnd, auf der Unterlage einher; und dazwischen
fällt unser Blick überall auf kieselgepanzerte Diatomeen und zierliche Algenfäden.
Eine kurze Exkursion über den nächsten besten Tümpel hat uns all dieses
Material geliefert, mit dessen Bestimmung, Klassifizierung und Präparalion wir,
wenn wir es vollständig aufarbeiten wollen, tagelang zu tun haben, und doch ist
es nur ein kleiner Bruchteil dessen, was unsere Gewässer, Tümpel, Gräben, Sümpfe,
Moore, Riede, Quellen, Bäche, Flüsse und Seen an tierischen und pflanzlichen
Lebewesen in ihren Schoß bergen.
Führt uns unser Weg zum Beispiel an einen größeren See, auf dem uns ein
Kahn zur Verfügung steht, so dürfen wir auf noch interessantere Ausbeute rechnen.
Noch lagert dichter und undurchdringlicher Nebel auf der Erde, als wir in
früher Morgenstunde das Boot besteigen, und uferlos erscheint die weite Wasser¬
fläche. Die Fahrt neben dem hohen Schilftohr und dichtgestellten Binsen bietet
schon mancherlei Gelegenheit zum Sammeln. Tauschwer und matt hängen Libellen
an den Pflanzen, und die glänzenden Geschöpfe, die im Strahl der Sonne in
reizendem Flug die Lust durchschwirren und aller unserer Bemühungen, sie zu
erhaschen, spotten, lassen sich jetzt mühelos ergreifen. Auch die metallglänzenden
Schilfkäfer, die in Gewandtheit des Entwischens beinahe mit den Libellen wetteifern,
find noch nicht zu vollem Leben erwacht und fallen uns leicht zur Beute. Zwischen
einzelnen Schilfstengeln sind radförmige Spinnennetze ausgespannt, in denen noch
schwere Wassertropfen hängen, andere Spinnen verraten ihr Eiernest durch charak¬
teristisch zusammengebogene Blätter.
Wenden wir uns dem Wasser zu und blicken spähend vom Rand des Bootes
hinab, so entdecken wir vielleicht am Grund zwischen Schilfstengeln in prächtigen
Exemplaren korallenartig verzweigte Stöcke des Süßwasserschwammes, die Schilf-
stengel selbst aber sind dicht überwuchert von den Knollen der Moostierchen.
Nehmen wir das Netz zur Hand, so bringt uns ein Zug zwischen diesen Pflanzen
am Ufer ein ähnliches Gewimmel zu Tag, wie wir es schon kennen gelernt haben;
eine Schar von Wasserwanzen, Wasserläufern, Wasserkäfern und ihren Larven,
darunter den mächtigen schwarzen Wasserkäfer, zahlreiche Flohkrebse, die in hastendem
Durcheinander umherkrabbeln, Milben', winzige Kruster, Wasserflöhe und Hüpferlinge,
und zu all diesen ständig im Wasser lebenden Tieren gesellt sich die Schar der-