Full text: Prosa aus Religion, Wissenschaft und Kunst (Band 2, [Schülerband])

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2. An den Fürsten non Kismneck. 
Koblenz, den 26. Juli 1872. 
Sie werden am 28. d. M. ein schönes Familienfest begehen, das Ihnen der All¬ 
mächtige in seiner Gnade beschert. Daher darf und kann ich mit meiner Teilnahme 
an diesem Feste nicht zurückbleiben, und so wollen Sie und die Fürstin, Ihre Gemahlin, 
hier meinen innigsten und wärmsten Glückwunsch zu diesem erhebenden Feste entgegen 
nehmen. Daß Ihnen beiden unter so vielen Glücksgütern, die Ihnen die Vorsehung für 
Sie erkoren hat, doch immer das häusliche Glück obenan stand, das ist es, wofür Ihre 
Dankgebete zum Himmel steigen. Unsere und meine Dankgebete gehen aber weiter, indem 
sie den Dank in sich schließen, daß Gott Sie mir in entscheidender Stunde zur Seite 
stellte und damit eine Laufbahn meiner Regierung eröffnete, die weit über Denken und 
Verstehen geht. Aber auch hierfür werden Sie Ihre Dankgefühle nach oben senden, daß 
Gott Sie begnadigte, so Hohes zu leisten. Und in und nach allen Ihren Mühen fanden 
Sie stets in der Häuslichkeit Erholung und Frieden, und das erhält Sie Ihrem schweren 
Berufe. Für diesen sich zu erhalten und zu kräftigen, ist mein stetes Anliegen an Sie, 
und freue ich mich aus Ihrem Briefe durch Graf Lehndorff und von diesem selbst zu 
hören, daß Sie jetzt mehr an sich als an die Papiere denken werden. 
Zur Erinnerung an Ihre silberne Hochzeit wird Ihnen eine Vase übergeben werden, 
die eine dankbare Borussia darstellt und die, so gebrechlich ihr Material auch sein mag, 
doch selbst in jeder Scherbe dereinst aussprechen soll, was Preußen Ihnen durch die Er¬ 
hebung auf die Höhe, auf welcher es jetzt stehet, verdankt. 
Ihr 
treu ergebener 
dankbarer König 
_ Wilhelm. 
6. Friedrich III., Deutscher Kaiser, König von Preußen (1831—1888). 
Quelle: Margarete von Poschinger, Kaiser Friedrich. 3 Bde. Berlin 1899/1900. III, S.264. 
An den Fürsten Carol non Rumänien. 
s? Neues Palais, Potsdam,) den 27. Juli 1879. 
Dein lieber teilnehmender Brief sowie Elisabeths tief zu Herzen gehende schöne 
Dichtungen haben meiner armen Frau und mir sehr wohlgetan. Ihr beide empfindet 
mit und für uns dasselbe, was euch in gleicher Weise von Gott beschieden ward, und 
wenn auch euer Schicksal ein noch viel härteres ist, so haben wir doch alle an dem 
schweren Verhängnis zu tragen, daß wir unsere Kinder überleben! 
Wir suchen in Ergebung zu tragen, was Gott verfügt hat, aber verwinden können 
wir es noch immer nicht, daß unserem glücklichen Familienkreise abermals ein Sohn ent¬ 
rissen worden, und gerade einer, der zu schönen Hoffnungen berechtigte, und der früh 
bereits Charakter gezeigt hat. Es wird einem so schwer, sich an das Alltagsleben ohne 
ein geliebtes Kind wieder zu gewöhnen, weil jeder Schritt von neuem daran erinnert, 
daß es nicht mehr erscheinen wird, und man lernen muß, ohne diesen Gefährten weiter 
zu bestehen.
	        
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