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geneigt, faltete die Hände und schloß die Augen. Das war ein Bild, das mir wie
gemalt vorschwebte, obgleich ich selbst ein Teil davon war; es gibt ja auch im Wachen
solche Traumzustände, worin sich alles durcheinander schiebt. Diese einzelnen Momente
meiner Reise soll man gern zu meinen Freuden rechnen, denn süßere habe ich nie gehabt,
nur nie sie selbst als solche. Dann rief ich so halblaut vor mich hin: „du guter, guter
Pinscher*)!", und in diesen Ausruf ging mehr von meinem Herzen hinein als in tausend
Gedichte. Das glaube mir, und darin liegt der Grund, warum bedeutende Dichter so
selten oder nie auf Wesen, die zu ihnen gehören, und von denen sie sich in ihrem eigenen
Bewußtsein kaum noch geschieden fühlen, ein Gedicht machen. Sie können sich ja auch
da nicht verleugnen, sie müssen ja auch in einem solchen Falle nach der höchsten Voll¬
endung der Form streben, da sie, wenn sie das nicht wollen, ja beim Brief oder beim
simplen Wort stehen bleiben können, und die Form erkältet alles Subjektive, da sie ver¬
allgemeinert. Auch habe ich persönlich ein Gefühl dabei, als ob ich auf mich selbst
dichtete, da es wahrlich keine Phrase ist, daß Mann und Weib eins sind. Bei Liebenden
ist das etwas anderes, sie sollen erst eins werden und gleichen einem edlen Wein, der in
zwei verschiedenen Pokalen funkelt; es ist wenigstens äußerlich noch eine Trennung.
Heute bist Du zu Tisch bei der Feuchtersleben, gestern warst Du im Kunstverein.
Wie freut es mich, daß ich das weiß! Schreib mir alles, was Du machst und tust,
das Geringste interessiert mich jetzt mehr als Sonne, Mond und Sterne! Es ist zehn
Uhr, ich muß gehen. Ob ich was ausrichte? Gleichviel! Wenn nicht, so bin ich um
so eher wieder bei Euch, und das entschädigt für alles. Ich hoffe, Dein Lebenszeichen
an mich ist schon unterwegs. Den Freunden herzliche Grüße, dem Titele, was beiliegt,
Dir Gruß, Kuß und Umarmung!
Dein
Friedrich.
13. Gusiav Freytag (1816—1895).
Quelle: Cölnische Zeitung 1886, Nr. 139 (vom 20. Mai).
An dir Redaktion dev „Eötnischen Zeitnng".
Hochgeehrter Herr! In Nr. 133 erstes Blatt Ihrer Zeitung erweisen Sie mir die
Ehre, an meinen bevorstehenden 70. Geburtstag zu erinnern und dabei die Angemessenheit
einer Festfeier wohlwollend zu betonen. Da ich dabei als Objekt beteiligt bin, möchte
ich auch eine Ansicht aussprechen, und da Ihr Artikel einen dramatischen Charakter des
Lustspiels „Die Journalisten" erwähnt, so erbitte ich mir die Erlaubnis, mich in der
Weise des Konrad Bolz zu äußern.
Und ich frage kummervoll: Liebe Herren, was brauen Sie mir da für eine Bowle?
Ist das die Folge der „Journalisten" und meiner anderen Schreiberei, daß Sie mich
zuletzt als Obersten a. D. behandeln, mir ein Fest redigieren und Briefe, Gedichte, Adressen
und Deputationen in das Haus leiten? Das fügen wir von der Presse wohl einmal
mit guter Laune andern Erdenbürgern zu, aber doch nicht uns untereinander!
Was sollen unsere lieben Deutschen sonst noch Wohltuendes für den erwähnten Tag
erfinden? Sollen sie etwa gar noch Geld sammeln? Dagegen müßte ich erklären wie
*) Scherzname der Frau.